dvdesk: Geschichten von der Heimatfront
Nachts, zum Sendeschluss, läuft im Fernseher die US-Nationalhymne, da kommen Sally (Jane Fonda) und Vi (Penelope Milford) gerade nach Hause. Übers Treppengeländer ist, recht achtlos, das Star-Spangled Banner drapiert. Ihre Männer sind weg, nach Vietnam, der Film spielt in den späten sechziger Jahren, gedreht ist er 1978, da war der Krieg schon vorbei. „Coming Home“ ist ein bitterer Film über diesen Krieg; es geht ihm um das, was man so zynisch wie treffend „Heimatfront“ nennt, und dabei weniger um die Rückkehr der Männer als um die Frauen, die ohne sie auskommen müssen.
Die etwa 40-jährige Sally eben, die mit Bob schon ziemlich lange verheiratet ist, als der als Captain nach Vietnam geht; und Vi, die Jüngere, deren Partner Dink mit Bob in den Krieg zieht. Die Frauen tun sich zusammen, Sally zieht zu Vi, in ein Haus in der Nähe des Strands. Die beiden werden enge Freundinnen, ihre Perspektive ist es, die der Film – Drehbuch nach einer Story von Nancy Dowd – rigoros einnimmt. Sally sucht eine Tätigkeit, arbeitet (ehrenamtlich) in einem Krankenhaus für körperlich und psychisch verletzte Kriegsheimkehrer, trifft dort auf Luke (Jon Voigt), querschnittsgelähmt, auf der Highschool hat sie einst für ihn geschwärmt. Die beiden werden ein Paar, zögerlich erst, dann wild entschlossen, beim Sex und bei Sallys Orgasmus nimmt der Film kein Blatt vor den Mund.
Viel Zeit lässt sich das Drehbuch für die beiden, bevor Bob, nicht schwer verletzt, dann zurückkehrt. Wenn es eine Helden gibt in „Coming Home“, dann nicht Luke, nicht Bob, nicht Dink, keinen der Männer. Die Heldin ist Sally, erzählt wird die Geschichte ihrer späten Emanzipation, erst durch die Frauenfreundschaft mit Vi, dann durch die ohne schlechtes Gewissen genossene Liebe zu Luke. Das Drehbuch tut gelegentlich etwas viel – umso großartiger die kühne Selbstverständlichkeit, mit der Jane Fonda die Selbstentdeckung ihrer Figur spielt.
Hal Ashby, heute der Inbegriff des New-Hollywood-Regisseurs, hatte als Cutter begonnen. Vom lässigen, beinahe freejazzigen Schnitt lebt „Coming Home“ nicht zuletzt; von Haskell Wexlers sehr eigenen Bewegungen folgender, unterspielter Kamera auch. Es ist gut, dass sich der Film sehr viel mehr seinem eigenen Rhythmus als seinem Plot überlässt. Denn nur deshalb funktioniert hier, was sonst eigentlich nie funktioniert: Der Film ist mit (meist sehr bekanntem) Rock und Pop der sechziger Jahre nachgerade gepflastert, von den Beatles zu den Stones, von Jefferson Airplane bis zu Tim Buckley.
Nur dass die Musik hier Schnitt, Kamera und Spiel der Darstellerinnen nicht einfach untermalt, sondern kommentiert und stark auf dem eigenen Gewicht beharrt, von einer Szene auf die andere übergreift und so – teils störrisch, geradezu giftig – verbindet, was auf der Inhaltsebene getrennt ist. Nur konsequent dann das dreifach offene Ende, auf das Ashby den Film zulaufen lässt: Was hier aufgedröselt worden ist, wird nicht wieder zusammengezwungen. Eine Form des Erzählens, die es im Hollywood der Achtziger dann so kaum noch gab, nicht zuletzt vom Niedergang von Hal Ashbys Karriere bezeugt. Aber das ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Ekkehard Knörer
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