Entführter vietnamesischer Ex-Politiker: Hanois Türen bleiben verschlossen
Vor zwei Jahren wurde Trinh Xuan Thanh vom vietnamesischen Geheimdienst aus dem Berliner Tiergarten entführt. Er sitzt bis heute im Gefängnis.
Vietnam warf Thanh vor, in seiner Zeit als Manager eines staatseigenen Unternehmens durch Misswirtschaft 142 Millionen Dollar Verlust verursacht zu haben. Dahinter stand allerdings ein Machtkampf zwischen zwei Flügeln innerhalb der Kommunistischen Partei. Thanh gehörte dem unterlegenen Wirtschaftsflügel an. Ein Auslieferungsantrag an die Bundesrepublik war zuvor gescheitert, weil Vietnam die Tatvorwürfe juristisch nicht begründen konnte.
Stationen, in denen nach Polizeierkenntnissen das Entführungsopfer festgehalten wurde, waren die vietnamesische Botschaft in Berlin, eine Privatwohnung im tschechischen Brno und der Parkplatz des Regierungshotels in Bratislava. Von dort ging es drei Tage nach der Entführung mit einer slowakischen Regierungsmaschine aus dem Schengen-Raum hinaus.
Diese Maschine hatte der damalige slowakische Innenminister Robert Kaliňák seinem vietnamesischen Amtskollegen To Lam, der ebenfalls an Bord saß, geliehen. Ob Kaliňák den Grund des Sonderfluges kannte, ist bis heute eine offene Frage. Es gab in der Slowakei deswegen mehrere Regierungskrisen, die die regierende SMER-Partei allerdings aussitzen konnte.
Laut Vietnam hat es gar keine Entführung gegeben
Die Tat war die erste Entführung eines Menschen von deutschem Boden durch einen ausländischen Geheimdienst seit dem Kalten Krieg und stellte eine Verletzung des Völkerrechts und der Souveränität der Bundesrepublik dar. Deutschland reagierte scharf. Zwei nachweislich an der Entführung beteiligte vietnamesische Diplomaten wurden ausgewiesen und die zwischenstaatlichen Beziehungen auf das absolute Minimum eingefroren. Regierungssprecher Steffen Seibert verkündete seinerzeit, Deutschland erwarte eine Entschuldigung von Vietnam, eine Bestrafung der Verantwortlichen und eine Rückkehr des Entführungsopfers nach Deutschland.
All das blieb aus, denn nach vietnamesischer Darstellung hatte es nicht einmal eine Entführung gegeben. Hanoi sprach stattdessen von der freiwilligen Rückkehr eines reuigen Straftäters. Es folgte eine Phase der Geheimdiplomatie. Hanoi erklärte sich bereit, bei dem Prozess gegen Thanh keine Todesstrafe zu verhängen, die in Vietnam bei Wirtschaftskriminalität praktiziert wird. Außerdem ließ Hanoi deutsche Prozessbeobachter zu und entließ den vietnamesischen Menschenrechtsanwalt Nguyen Van Dai aus der Haft und flog ihn nach Deutschland, wo er letzten Sommer auch ankam.
Im Herbst 2018 gab die Bundesregierung dem Druck der deutschen Wirtschaft nach, die wieder Geschäfte auf dem südostasiatischen Wachstumsmarkt machen wollte, und normalisierte die zwischenstaatlichen Beziehungen. Damit wurde eine in Vietnam bis in das Außenministerium hinein geführte Debatte um eine Rückführung von Thanh abgewürgt. Das Entführungsopfer sitzt bis heute in vietnamesischer Haft, er wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
„Nach wie vor sitzt mein Mandant in Vietnam in der Untersuchungshaftanstalt des vietnamesischen Sicherheitsdienstes,“ sagt seine Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf gegenüber der taz. „Obwohl er nach vietnamesischer Auffassung ja rechtskräftig verurteilt ist, wird er nicht einmal in eine normale Haftanstalt mit besseren Haftbedingungen verlegt.“ Die Bemühungen um seine Freilassung würden ihr zufolge „mit Nachdruck geführt“. Das Auswärtige Amt spricht gegenüber der taz lediglich von „regelmäßigen Gesprächen mit der vietnamesischen Regierung, die den Fall Thanh zum Gegenstand haben“, und von Bemühungen deutscher Diplomaten, diesen im Gefängnis zu besuchen.
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