piwik no script img

Nordbadisches TaubertalMadonnenland und Radlerparadies

Alte Kunst, guter Wein, wohlgefällige Landschaft – das nordbadische Taubertal ist schönste Provinz mit überraschenden Höhepunkten.

Schlossbrunnen mit der Tauberbischofsheimer Madonna von Tilmann Riemenschneider Foto: dpa

Leider wurde unsere Madonna weggegeben. Sie ziert jetzt die Staatlichen Museen in Berlin“, sagt Hermann Müller, ehemaliger Gymnasialdirektor und unser kompetenter Guide in Tauberbischofsheim und Umgebung. Wir stehen vor dem Schlossbrunnen mit der Nach­bildung der Tauberbischofsheimer Madonna von Tilman Riemenschneider (1460–1531). Zu gern hätte Hermann Müller, der die Chronik der heute 13. 000 Einwohner zählenden Stadt verfasst hat, die berühmte Madonna hier.

Es gibt nicht viel Spektakuläres in dem Städtchen mit mittelalterlichem Kern und den Resten einer Mauer. Mütter mit Kindern sitzen an diesem heißen Sommertag in den Eiscafés der Fußgängerzone, im Stadtmuseum halten ehrenamtliche Rentner die Stellung. Die Pizzeria ist gut besucht, auch beim Griechen stehen Tische draußen. Man kennt sich, den ehemaligen Schuldirektor Hermann Müller ohnehin.

Das „liebliche Taubertal“, wie sich die Region offiziell bezeichnet, ist eine wohlgefällige Landschaft mit kleinen Orten am Ufer der Tauber, wo es jetzt im Sommer nach Heu duftet und hin und wieder eine bunt blühende Blumenwiese wundersam die Attacken extensiver Landwirtschaft überlebt hat. Auf den Hängen wächst Müller-Thurgau, Silvaner, Riesling, Burgunder, Kerner und Bacchus. Frisch gekeltert kann man den neuen Wein bald in den Besenwirtschaften vor Ort kosten.

Eine ländliche Region, lieblich, hügelig, idyllisch. Und eine der schönsten Radstrecken Deutschlands. Von Rothenburg ob der Tauber bis Wertheim am Main führt der Radweg „Liebliches Taubertal“. Er wurde im Januar 2019 erneut mit der Höchstnote „5 Sterne“ vom ADFC ausgezeichnet. Im Örtchen Stuppach muss unbedingt ein Halt eingelegt werden. Der Ortsteil von Bad Mergentheim beherbergt in seiner Dorfkirche eine Madonna, gemalt von Matthias Grünewald (1475–1528). Sie ist Teil eines Triptychons, dessen anderer Flügel, Maria im Schnee, sich heute im Augustinermuseum in Freiburg befindet. Der dritte Flügel ging verloren.

„Liebliches Taubertal“

Infos zu Kunst, Kultur und Unterkunft: Tourismus­verband „Liebliches Taubertal: www.liebliches-taubertal.de

Keine Farbe, Schminke, Vergoldung

Im 15. Jahrhundert wird der Volksglauben durch Bilder transportiert. Man kann viel daraus lesen, hinein­interpretieren. Der Glaube an eine höhere Macht, einen gerechten Gott ist das Einzige, was die Menschen ihre Not ertragen lässt. Es ist die Zeit der Bauernkriege. Die Lage der Besitzlosen – des weitaus größten Teils der Menschen im Reich – verschärft sich dramatisch. Sie fordern Gerechtigkeit. Künstler wie Grünewald und sein Zeitgenosse Riemenschneider teilten die Forderungen. Diese Epoche der Renaissance und Reformation brach mit der alten Weltordnung. Das Verhältnis des Bürgers zu Staat und Kirche, auch das Verständnis von Freiheit und Menschlichkeit wurde hinterfragt.

Im Städtchen Creglingen, weiter abwärts der Tauber, steht ein berühmter Altar Tilman Riemenschneiders mitten im Schiff der Herrgottskirche. Im Zentrum Maria mit Engeln. Keine Farbe, Schminke, Vergoldung duldet Riemenschneider bei seinen Arbeiten. Seine Figuren leben aus ihrem Inneren, und die Gebärden, die Gesichter und die Falten der Gewänder wirken in ihrer wunderschönen Schlichtheit echt.

Nur wenige Besucher sind dort. „Es werden immer weniger“, sagt die Frau an der Kasse. Der Creglinger Altar ist kein gut vermarkteter Museumskunstevent, aber eine echte Entdeckung auf einer Tour durch diese mit Geschichte, Bildstöcken und Heiligenfiguren gesegnete Landschaft. „Seinen Zauber gewinnt der Alter, wenn das Licht am Spätnachmittag in die Kirche strömt und das Holz zum Leuchten bringt“, sagt unser ortskundiger Begleiter Hermann Müller. Dann sieht man, dass der Altar nirgends besser zur Wirkung kommt als in Creglingen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Wie wär es mit Recherche? Tauberbischofsheim ist ungefähr so badisch, wie Augsburg bairisch ist: gar nicht! Auch wenn die Region zum Bundesland baden-Württemberg und darin zum Regierungsbezirk Nordbaden gehört, ist sie doch durch und durch fränkisch!



    Und so etwas sollten auch die Preisn in Berlin erfahren!

    • 7G
      7964 (Profil gelöscht)
      @wauz:

      Genau: Wie wär es mit Recherche?

      Im Kommentar werden die Begriffe: Volk und Nation nicht sauber getrennt. Baden ist ein politischer Begriff. Im Land Baden leben nun einmal Franken und Alemannen. Politische Grenzen haben selten mit kulturellen oder sprachlichen Grenzen zu tun.

      • @7964 (Profil gelöscht):

        Mir geht es nicht um "Volk" oder "Nation" denn diese begriffe sind auch nicht sauber anzuwenden und tun auch nichts zur Sache. Es geht mir um die kulturelle Prägung, und die geht tatsächlich über die Mundart hinaus.



        Sowohl Baden, als auch Württemberg haben in der Zeitläufte einen fränkischen Anteil bekommen. Und umgekehrt: das Alamannische Siedlungsgebiet wurde zuerst von den Franken übersiedelt. Das kann man heute noch an den Ortsnamen sehen. Auch Bietingen und Bissingen wurde Bietigheim-Bissingen. Das mit -heim ist der fränkische Name.



        DerÜbergang zwischen eher alamannischem und eher fränkischem Gebiet ist in Baden und Württemberg fließend. Anders in Bayern, wo die die Grenze zwischen Schwäbisch und Bairisch fest, aber fließend ist. Der Lech nämlich.



        in einen touristischen Artikel muss man die Feinheiten derPolitik nicht hineinpacken. Aber es sollte schon klar sein, dass das angepriesene gebiet kulturell deutlich fränkisch angehaucht ist. Das sieht man auch in der Bauweise der alten Häuser.