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Serie: Fünf für die FinalsImmer wieder auftauchen

Olympiaturner Philipp Herder startet bei den Finals in Berlin. Nach schwerem Sturz befindet sich der 26-Jährige auf dem Weg zurück zu alter Stärke.

Philipp Herder im olympischen Trainingszentrum Kienbaum Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Wenn er mal nicht durch das Bundesleistungszentrum Kienbaum fliegt, entspannt Philipp Herder mit seiner Freundin in den Berliner Parkanlagen. Herder ist Turner, die Sportschule sein zweites Zuhause. „Wenn wir hier sind, können wir uns den ganzen Tag aufs Training konzentrieren.“

Das ist für den 26-Jährigen derzeit zwingend nötig, vor allem im Hinblick auf die Finals in Berlin am 3. und 4. August in der Max-Schmeling-Halle. Dort tritt er als amtierender Deutscher Meister am Barren an. Eine Ankündigung zur Titelverteidigung bleibt aber aus. „Ich möchte für die zwei Wochen später stattfindende zweite WM-Qualifikation eingeladen werden. Dafür muss ich im Mehrkampf unter die besten zwölf kommen.“

Nachdem er sich im Mai dieses Jahres am Hals verletzte, befindet sich der Berliner nämlich noch im Trainingsaufbau. Ausgerechnet an seinem Paradegerät Barren war er nach einem Sturz auf dem Kopf gelandet. „Das vordere Längsband zwischen dem vierten und fünften Halswirbel ist gerissen. Deshalb musste ich länger pausieren.“ Eine Verletzung, die durchaus auch hätte schlimmer ausgehen können. „Ich hatte im ersten Moment Angst, dass es zur Querschnittslähmung kommt, da ich mich nicht bewegen konnte.“ Die Angst legte sich aber bereits nach ein paar Minuten wieder.

Heute weiß er, dass es der Schock war. Schock, vielleicht auch deshalb, weil er in puncto Halsverletzungen vorbelastet ist. Vor neun Jahren musste ein Teil seiner Bandscheibe zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel entfernt werden. Stattdessen wurden zwei miteinander verschmolzene Wirbelkörper eingesetzt. Durch diese Operation musste der Sportsoldat damals länger pausieren. Anders als jetzt war ein Comeback nicht geplant. Herder hatte seine leistungssportliche Laufbahn beendet, turnte ohne größere Ambitionen vor sich her. „Ich hatte im Kopf abgeschlossen und den Sport aufgegeben.“

Finally Finals

Die Person: Philipp Herder wurde 1992 geboren und trainiert seit der dritten Klasse am Sportforum. Neben dem Turnen studiert er Physik.

Der Sportler:Seit 2014 ist Herder Teil der Nationalmannschaft. 2017 wurde er Deutscher Meister am Boden und 2018 am Barren.

Die Finals: Am 3. und 4. August 2019 finden in Berlin zum ersten Mal „Die Finals“ statt, eine Parallelaustragung der Deutschen Meisterschaften im Bahnrad, Bogensport, Boxen, Kanu, Leichtathletik, Modernen Fünfkampf, Schwimmen, Turnen, Triathlon und Trial. Die Schwimmwettkämpfe beginnen bereits am Donnerstag, den 1. August.

Die Serie: Die taz berlin stellt bis zum Beginn der Finals jeden Dienstag eine*n Teilnehmer*in der Wettkämpfe vor. Nächste Woche wird an dieser Stelle die Bogenschützin Elena Richter vorgestellt. (taz)

Wendepunkt in der noch jungen Karriere

Lediglich seiner Bewegungsfreude geschuldet, turnte er doch nochmal einen Wettkampf mit. Dort überraschte er sowohl seinen damaligen Trainer Roland Ankert als auch sich selbst durch gute Ergebnisse. Trotzdem war er vom Gedanken an ein Comeback zunächst nicht angetan. Ankert hingegen war anderer Meinung, sprach Herder gut zu und sorgte letztlich für den Wendepunkt in der noch jungen Sportlerkarriere. „Er meinte, dass ich am nächsten Tag doch einfach um 7.30 Uhr in der Halle sein soll.“

Herder nickte zunächst freundlich ab. Als er nach dem Wettkampf aber zu Hause ankam, begann er zu grübeln. Trotz des vorläufigen Karriereendes hatte Herder den Spaß am Turnen nie verloren. Es hat ihn nie große Überwindung gekostet, die Turnhalle aufzusuchen. „Also warum eigentlich nicht?“ – der Gedanke war der Startschuss für das Comeback, seine zweite Karriere.

Die hat den Turner des SC Berlin bereits zu sämtlichen internationalen Events gelotst. Er war bei Welt- und Europameisterschaften im deutschen Aufgebot, turnte einige Weltcups mit und nahm 2016 an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro teil. „Das ist der größte Erfolg meiner Karriere. Allein das olympische Feeling ist mehr wert als jede WM-Teilnahme.“

Noch mehr prägte ihn nur die Teilnahme an seinen ersten Weltmeisterschaften in Nanning 2014. „Die ganzen Eindrücke, allein schon die Vorbereitung mit Fabian Hambüchen und Marcel Nguyen mitmachen zu dürfen, das war unglaublich für mich.“ Zu den beiden habe er immer hochgeschaut. „Plötzlich war ich im gleichen Team wie sie. Das war etwas, was ich unbedingt wieder erleben wollte.“

Auch Quali für die WM

Während er in Erinnerungen schwelgt, wirkt der Mehrkämpfer bescheiden, aber dennoch stolz. Trotzdem richtet er den Fokus lieber auf das aktuelle Geschehen. Obwohl seine Verletzung ihren Tribut fordert, ist von Wehmut keine Spur. Zielstrebig und fokussiert wirkt er, die kommenden Ziele fest im Blick. Denn für Herder ist der mentale Aspekt im Turnen ein sehr wichtiger Faktor. „Ich glaube, dass die mentale Stärke mindestens genauso wichtig ist wie die physische.“ Und die will er im Endspurt bis zu den Finals in Berlin nutzen.

Die Finals sind nämlich Deutsche Meisterschaften und Qualifikationswettkampf für die WM in Stuttgart zugleich. Und damit sind sie enorm wichtig: Herder will unbedingt Teil der Heim-WM sein. Beim Gedanken daran bekommt er Gänsehaut: „So was erlebt man einmal im Leben, das will man auf keinen Fall missen.“

Philipp Herder mal in einer entspannten Pose Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Vor zwölf Jahren waren die Weltmeisterschaften schon einmal in Stuttgart. Dort hatte sich Fabian Hambüchen mit Gold am Reck zum neuen Turn-Shootingstar gekürt. Auch Herder war damals im Zuge eines Kaderlehrgangs vor Ort. Noch heute schwärmt er von der Atmosphäre. „Mit so einer Kulisse im Rücken wollen wir unser Ziel der Olympiaqualifikation im Mannschaftswettbewerb auf jeden Fall realisieren.“

Dafür muss das deutsche Team mindestens den 12. Rang belegen. Anders als bei den letzten Olympischen Spielen gibt es in diesem Qualifikationszeitraum keine vorolympischen Spiele. Diese ermöglichten allen Teams, die eine direkte Qualifikation verpassten, einen letzten Versuch, auf den Olympiazug aufzuspringen. Diesen nutzten auch die deutschen Turner damals.

Ein straffes Programm

Für Philipp Herder eine prägende Zeit. „Das war schon ein straffes Programm damals. Der Bundestrainer war ziemlich nervös. Allein 2016 war ich deshalb insgesamt locker ein halbes Jahr lang in Kienbaum.“ In der Sportschule sind die Turner ohnehin oft zu finden. Zweimal täglich trainieren sie dort gemeinsam und nutzen die restliche Zeit für regenerative Zwecke, wie Physiotherapie oder Saunagänge.

„Ich hatte im Kopf abgeschlossen und den Sport aufgegeben“, sagt Philipp Herder Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

Zu Hause in Berlin sei Herders Tagesablauf zwar ähnlich, dort würde er sich aber auch auf die Uni konzentrieren. Neben dem Leistungssport ist er Physikstudent auf Teilzeit, belegt nur ein Modul pro Semester. „Da habe ich keinen Zeitdruck und kann das Studium erst nach meiner Turnkarriere beenden. Die hat derzeit Priorität.“

Doch auch er muss vom Alltag in Turnhalle und Hörsaal gelegentlich abschalten – etwa gemeinsam mit seiner Freundin im Treptower Park oder in den gemütlichen Kneipen der Warschauer Straße.

Natürlich nur, wenn die Turnhalle nicht ruft. Denn dort fliegt er wieder durch die Lüfte. Bereit für einen neuen Anlauf in seiner zweiten Karriere.

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