piwik no script img

Die Würde der Wiederholung

Joshua Abrams spielt am Sonntag mit seiner Band Natural Information Society im Neuköllner Arkaoda

Die acht Musiker kombinieren in diesen Breitengraden übliche Instrumente mit östlichem und afrikanischem Klanggerät

Von Tim Caspar Boehme

Widerständige Musik muss ja selbst keinesfalls mit widerständigem Gestus daherkommen. Oder: Ob Musik widerständig ist, hängt nicht davon ab, ob sie rebellisch, mit klarer Botschaft oder sonst wie lautstark artikuliert wird. Man kann sich als Musiker auch entschlossen gegen bestimmte Entwicklungen, gegen die Gegenwart, wenn man so will, stellen, einfach indem man sich künstlerisch gegensätzlich dazu verhält.

Joshua Abrams macht mit seiner Band Natural Information Society widerständige Musik, die leise, langsam und scheinbar ereignisarm gestaltet ist. Auf seinem aktuellen Album „Mandatory Reality“ zumindest wählt der Chicagoer Bassist diesen Weg. Lange, sich endlos wiederholende Figuren, bedächtig vorgetragen, sich wie eine endlose Zeremonie hinziehend, spielt sein Ensemble. Am Sonntag zu erleben im Arkaoda.

Schöne, harmonische Klänge sind es, mit denen Abrams aufwartet. Das galt unter abenteuerlustigen Musikern, der Avantgarde vor allem, lange als bähbäh. Und Abrams ist alles andere als ein Wohlfühl-New-Age-Musiker. Er kommt aus dem Jazz, was in Chicago häufig eine Offenheit gegenüber diversen anderen Praktiken der Tonkunst einschließt. Krautrock und Afrobeat waren vor zwei Jahren wichtige Einflüsse für sein Album „Simultonality“, jetzt sind es Minimal Music und marathonfreundliche Formate wie Gamelan-Rituale, die auf „Mandatory Reality“ das Tempo vorgeben.

Wo sonst gern von allgemeiner Beschleunigung die Rede ist, hat man mit so einem Ansatz einen handfesten Gegensatz parat. Und während die generelle Nachrichtenlage im Schatten von verändertem Klima und anderen menschengemachten Bedrohungen eher wenig Grund zu Freude und Gelassenheit bietet, zelebriert Joshua Abrams mit seiner Natural Information Society die Schönheit und Ruhe der sich im Mit- und Nebeneinander entfaltenden Klänge. Gerne bis zu 40 Minuten pro Stück.

Die acht Musiker kombinieren dabei in diesen Breitengraden übliche Instrumente wie Klavier, Saxofon, Kornett und Bassklarinette mit östlichem und afrikanischem Klanggerät, darunter Tabla, Gong und Tar. Abrams selbst spielt die nordafrikanische Langhalslaute Gimbri.

Nach „exotischer“ Musik klingt das nicht sonderlich, nach Jazz immer mal in Ansätzen, etwa wenn der eine oder andere Bläser sich dazu durchringt, die Ostinato-Figuren mit zart improvisierten Melodien zu erweitern, um sich im nächsten Moment gleich wieder in den Gesamtklang einzufügen. Selbstdarstellerisches Solieren ist nicht gefragt. Dafür eine kollektive Feier des Jetzt, von der Haltung ähnlich wie Punk, da anti. Bloß meditativer.

Joshua Abrams and Natural Information Society, Arkaoda, 7. Juli, 22.30 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen