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Todesfalle Libyen: Bomben auf Lager

In der Schlacht um Libyens Hauptstadt sind Migranten schutzlos. Dutzende Tote bei Angriff auf Internierungslager nahe der Front

Habselig­keiten in Trümmern: In dem von einer Rakete getroffenen Internierungslager sitzen Migranten ein, die aus dem Mittelmeer zurück nach Libyen gebracht worden sind Foto: Ismail Zitouny/reuters

Von Mirco Keilberth, Tunis

Bei einem Luftangriff auf ein Lager für Flüchtlinge und Migranten im Süden von Tripolis sind in der Nacht zum Mittwoch mindestens 40 Menschen getötet worden. Mehr als 80 Verletzte wurden in Krankenhäuser der libyschen Hauptstadt gebracht. Das zerstörte Gebäude liegt im Vorort Tadschura. Es ist ein zu einem Gefängnis umgebautes Lagerhaus, das das libysche Innenministerium für die Unterbringung von auf dem Mittelmeer geretteter und nach Libyen zurückgebrachter Migranten nutzt. Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR und von Ärzte ohne Grenzen (MSF) kümmern sich seit dem letzten Jahr um die Internierten.

Ein dort untergebrachter Ghanaer berichtet der taz, dass mitten in der Nacht neben dem Gelände eine Rakete explodierte. Da am Himmel das Geräusch eines Kampfflugzeuges zu hören war, gerieten die 616 Insassen in Panik und versuchten, aus dem verschlossenen Gebäude zu fliehen. Plötzlich sei ein Geschoss im Dach eingeschlagen und habe zum Einsturz von Gebäudeteilen geführt. Der nach Angaben des Innenministeriums mehr als ein Meter tiefe Krater im Boden lässt auf eine von Kampf­flugzeugen oder vom Boden abgeschossene Rakete schließen.

Marwan Hetwisch, ein Freiwilliger der Hilfsorganisation Roter Halbmond, war als einer der ersten Helfer vor Ort. „Es herrschte völliges Chaos. Wir mussten 34 Tote bergen, über 80 Menschen waren verletzt, viele so schwer, dass wir von weiteren Opfern ausgehen. Zudem sind noch Leichen unter den Trümmern begraben. Die Krankenhäuser von Tripolis sind mit den vielen Verletzten von den drei Fronten im Süden von Tripolis überfordert.“

Das Lagerhaus liegt rund drei Kilometer von der südöstlichen Frontlinie bei Wadi Rabia entfernt. Dort kämpfen westlibysche Milizen, die die Regierung in Tripolis unterstützen, gegen die LNA (Libysche Nationalarmee) von Feldmarschall Khalifa Hafter, die im Osten Libyens basiert ist und versucht, Tripolis zu erobern. In der letzten Woche hatte die LNA ihr Fronthauptquartier Gharian an die Verteidiger von Tripolis verloren. Ihr Militärsprecher Ahmed Mismari drohte daraufhin vor zwei Tagen mit der Verstärkung der Luftangriffe auf Ziele in Tripolis. Die LNA gilt daher auch als verantwortlich für den Angriff auf das Lager von Tadschura.

Libysche Menschenrechtsaktivisten kritisieren aber auch, dass die Lagerinsassen von Tadschura trotz der Gefahr nicht evakuiert worden waren. Prince Afani, der medizinische Koordinator von MSF, berichtet, dass bereits vor acht Wochen Granaten auf dem Gelände niedergingen.

Die „Tragödie“ wäre „leicht zu verhindern gewesen“, erklärte er: „Unsere Teams haben das Lager erst gestern besucht und 126 Menschen in der Zelle gesehen, die nun getroffen wurde. Alle Flüchtlinge und Migranten müssen sofort aus den Internierungslagern außer Landes gebracht werden. Untätigkeit und Gleichgültigkeit haben erneut schutzlose Geflüchtete das Leben gekostet.“

„Es herrscht völliges Chaos. Leichen sind noch unter den Trümmern“

Marwan Hetwisch, Roter Halbmond

Der libysche Bürgerkrieg zwischen Haftars LNA und der Einheitsregierung in Tripolis, die von lokalen Milizen unterstützt wird, intensiviert sich derweil. Helfer Marwan Hetwisch berichtet, dass die Ausweitung der Luftangriffe an der Front bei Wadi Rabia immer mehr Tote und Verletzte unter den Verteidigern von Tripolis fordere. Alleine am letzten Montag seien 22 Menschen getötet worden.

Eine Befriedung wird dadurch erschwert, dass beide Seiten Unterstützung von außen erhalten. Haftar erhält Waffen aus Ägypten, den Arabischen Emiraten und Russland, französische Spezialeinheiten nutzen den Schutz der LNA für Angriffe auf mutmaßliche Terrorgruppen in der Sahara. Die von der UNO anerkannte Regierung in Tripolis erhält Waffen aus der Türkei und Katar. Die LNA hat daher die Türkei zum Feind erklärt.

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