Journalistin Wibke Bruhns ist tot: Erste Nachrichtenfrau im ZDF
Die Journalistin Wibke Bruhns ist im Alter von 80 Jahren gestorben. Sie sah sich selbst als „viel rauchende und viel trinkende“ Reporterin.
Wibke Bruns, die zwar vorher bereits als TV-Moderatorin, unter anderem für die „Drehscheibe“ tätig gewesen war, wurde in einem Coup auf den Bildschirm gehievt – nicht mal intern war ihr erster Sprecherinnen-Auftritt bekannt gegeben worden, um die sendereigene Misogynie nicht auf die Probe zu stellen.
Demensprechend fielen die Reaktionen aus: „Am zickigsten waren die Frauen“, sagte Wibke Bruns einst in einem Interview, „die fanden, ich sollte nach Hause gehen und mich um die Kinder kümmern“. Bruns wurde Opfer eines analogen Shitstorms – im wahrsten Wortsinn: Jemand schickte ihr ein Päckchen mit „einem Haufen Scheiße auf einem Heiligenbild“, inklusive der Nachricht, dass „Gott diejenigen straft, die ihren angestammten Platz verlassen“.
Doch die aus Sachsen-Anhalt stammende Bruns, die am Donnerstag im Alter von 80 Jahren verstarb, entwickelte eine pragmatische Haltung – und lehnte es ab, sich für die Frauenbewegung vereinnahmen zu lassen. Stattdessen sprach sie einfach weiter die Nachrichten – zunächst widerwillig, denn die versierte Journalistin langweilte sich beim bloßen Vorlesen von Texten, wollte aber das „Experiment“ mit den weiblich präsentierten Nachrichten nicht gescheitert wissen. Erst nach 380 Sendungen zog sie sich für eine Weile ins Privatleben zurück, um 1973 wieder auf den Bildschirm (als Berichterstatterin für „Panorama“), ein paar Jahre später als Israel-Korrespondentin des „Stern“ auch in den Printbereich zurückzukehren.
Da war gerade ihr Ehemann gestorben, Bruns blieb mit zwei Töchtern allein. Ebenfalls 1973 wurde Bruns wiederum Opfer einer genderspezifischen Hetzkampagne: Man dichtete ihr, die bereits als Schülerin der SPD beitrat, eine Affäre mit Willy Brandt an, den sie bei einem Staatsbesuch in Israel im Hotelzimmer getroffen hatte. Das konnte nach der herrschenden Logik nur einen Grund haben. Der Klatsch verebbte erst, als Brandts Ehefrau eine andere Journalistin als Liebhaberin ihres Mannes identifizierte.
Nach Berlin zog Bruns – über ein paar Zwischenstationen in Washington und im Elsass – 1989, um den Fall der Mauer nah mitzuerleben. Mehrere Bücher hat die sich selbst als „viel rauchende und viel trinkende“ Frau beschriebene Reporterin verfasst, 2004 erzählte sie in „Meines Vaters Land“ von ihrem Vater – die Nazis hatten das ehemalige NSDAP-Mitglied, das seiner damals sechsjährigen Tochter stets fremd geblieben war, 1944 als Mitwisser des Hitler-Attentats hingerichtet. Bruns schrieb knapp, persönlich und berührend: „Ich kenne seine Stimme nicht. Nie gehört, behaupte ich“, räsonierte sie im Buch.
Dass sie im Jahr 2013 in einer Talkrunde bei Günther Jauch die Frauenbewegung quasi als sinnlos definierte, weil „Männer nun mal Männer und Frauen Frauen“ seien, darf man getrost auf frühere Erfahrungen mit engstirnigen Kollegen schieben. Eine Vorkämpferin war sie dennoch. Aber eben eine, die ihre Expertise mit einer amtlichen Portion Selbstverständlichkeit garnierte.
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