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Kolumne B-NoteMia san noch net Nia

Das Erste hat sich eine Expertin ins Studio geholt. Nia Künzer analysiert nicht nur die Frauen-WM, sondern auch die Männer der U21.

Nia Künzer und Gerald Asamoah, 2018 Foto: dpa

Nia Künzer ist nicht Horst Hrubesch. Nicht dass der zwischenzeitliche Trainer der Frauennationalmannschaft seinen Job schlecht gemacht hätte, aber Nia Künzer ist halt trotzdem jemand anderes. Die frühere Nationalspielerin, seit 2006 bei der ARD unter Vertrag, greift ja nicht mit geballter Expertise in den Männerfußball ein, um Fehlentwicklungen anzuprangern.

Alles was Künzer macht, ist, wenn das Erste einmal mehr lieber U21-Männer statt erwachsene Frauen zeigt, auch deren Spiel zu analysieren. Nun hatte sie am Donnerstagabend beim 6:1-Sieg der DFB-Junioren auch nicht allzu viel zu kritisieren, aber wenn das Team gegen Serbien untergegangen wäre, hätte die ARD-Expertin Nia Künzer eben auch (kritisch) rangemusst.

Die ARD nutzt die Frauen-Weltmeisterschaft, um eine eloquente Expertin an den MännerFußballkult heranzuführen. Zwar noch nicht ans Heiligtum A-Nationalmannschaft, aber immerhin schon zu Länderspielen, die zur besten Sendezeit übertragen werden. Nia Künzer steht also im Studio neben dem WDR-Mann Claus Lufen, und wenn in den Weiten der sozialen Medien einer beschimpft wird, dann eher er. „Nia Künzer ist eure beste Kommentatorin seit Günter Netzer!“, lobt eine Userin.

Netzer, Scholl, Basler

Nia Künzer ist aber auch nicht Günter Netzer. Oder Mehmet Scholl. Oder Holger Stanislawski. Oder einer der Trash-Experten aus der Liga um Oliver Pocher, Mario Basler, Peter Neururer, Giovanni Zarrella und Matze Knop schon gar nicht. Diese Art von Experten, angefangen bei Netzer, gibt es ja, weil sie nicht nur Analysen à la „Den hätte er halten müssen“ oder „So jemand darf man nicht frei zum Schuss kommen lassen“ vortragen sollen, sondern, sie sind eingekauft worden, weil sie, wie es in der Branchensprache heißt, „einen raushauen“ sollen.

Wenn Künzer über ein U21-Talent lästerte, wäre sie schneller weg als nach einem Schalke 05-Versprecher

Mehmet Scholls Bemerkung, Mario Gomez könne sich wundliegen, war vermutlich der Höhepunkt dieser Art der Fußballexpertise: Es war die Botschaft, dass tumbe Sprüche dazu gehören, wenn’s ums Kicken geht, wenn, ja wenn sie von jemandem vorgetragen werden, dessen Kompetenz als jahrzehntelanger Teilnehmer im Männerfußballzirkus unbestritten ist.

Genau an diesem Stehtischchen mit Mikrofon steht also jetzt Nia Tsholofelo Künzer, gebürtig in Botswana, doch wenn sie hämische Bemerkungen über ein U21-Talent äußerte, wäre sie schneller weg als nach einem „Schalke 05“-Versprecher. Vermutlich würde ihr auch eine gut fundierte, aber vernichtend wirkende Spielanalyse übler genommen als einem Netzer.

Künzers U21-Analysen symbolisieren eine Zwischenzeit: Sie ist zwar keine Kopie eines männlichen Experten, aber als unabhängig und durchaus auch kritisch auftretende Fußballexpertin namens Nia Künzer kriegen wir sie noch nicht zu sehen.

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1 Kommentar

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  • Bin ich eigentlich der Einzige, dem es auf den Zeiger geht, dass krampfhaft _jeder_ Artikel irgendwo wenigstens einen klitzekleinen Bezug zu 'soziale Medien' bekommen muss?

    Fällt das überhaupt noch jemandem auf?

    Wenn ihr (allg; nicht taz-spezifisch) den Mund aufmacht, kann man bis fünf zählen, bis irgendwo 'soziale Medien' kommt...

    Und dabei wisst ihr alle selbst, dass das eigentlich Mist ist...