: Kein Bock auf Hipsterscheiß
Sein „ARTelier-Café“ ist ein poetisch-verschrobenes Gesamtkunstwerk: In Osnabrück ist Thomas Jankowski längst eine Legende. Der Mann ist Maler, Gastronom, Galerist – und ein Charakterkopf. Er sagt: „Ich muss das machen.“ Gut so. Ohne ihn wären wir ärmer
Von Harff-Peter Schönherr
Vorne, am Eingang, zieht Jack Nicholson an einer Zigarre. „Some time“, knurrt er, „you just need to relax and say: Fuck it!“ Sein Blick ist rebellisch. Wer will, kann ihn kaufen.
„Haben viele schon gemacht“, sagt Thomas Jankowski und gießt sich was Selbstgemixtes aus Gemüse, Obst und Kräutern ein, schnuppert („Erbse, oder?“), kostet. „Meist Typen, die selbst kein bisschen rebellisch sind. Mussten wohl was kompensieren.“
Nicholson hat er schon oft gemalt, bestimmt genauso oft wie Clint Eastwood. Dazu steht er. „Bringt Kohle“, zuckt er die Achseln, und seine Offenheit ist sehr selbstironisch. „Ich bin halt käuflich.“ Jankowski wirft seine Dreads nach hinten, räuspert Zigarettenrauch weg. Sein Lächeln ist hintersinnig, warm, lebt tief in seinen Augen. „Klar, Geld ist nicht alles. Ich mach nur, auf was ich Bock hab.“
Das war schon immer so. Naja, bis auf die allerersten Anfänge vielleicht. Und bis auf Angebote, die einfach zu verlockend waren, finanziell. Jankowski, der nie das Wort „Auftragsmaler“ gescheut hat, eher das Wort „Kunst“: „Echt viel Geld? Da krieg ich natürlich echt viel Bock …“ Seine Augen blitzen. Alles nicht so ernst nehmen, signalisiert das. Porträts hat er gemalt, wandfüllend, sehr sinnliche Akte, sehr mediterrane, fast psychedelische Stadtansichten.
Jankowski ist ein Charakterkopf. Andere tun cool, er ist es. Andere reden über Sachen, die sie machen wollen, er macht sie. Klar, Thomas Jankowski weiß, was Selbstinszenierung ist. Er weiß, dass die Leute von „Kult“ reden, wenn sein Name fällt. Aber er ist vor allem eins: authentisch. Er war es mit seinem V8-US-Van und ist es mit seinem „Unimoke“-Elektrofahrrad, das so wirkt wie ein Motorrad.
Ohne Kunstgeschwurbel
Nachdenklich ist er, und gleichzeitig eruptiv. Jemand wie er muss keinem mehr was beweisen. Und wer bei ihm Hipsterscheiß ablassen will, Kunstgeschwurbel, Materialismusgeprotze, bleibt besser weg.
Jankowski ist Maler, Gastronom und seit ein paar Monaten auch (wieder) Galerist. Und wer sein „ARTelier-Café“ besucht, in Osnabrücks Altstadt, sein skurriles, poetisches Gesamtkunstwerk aus Steampunk, den 1950er-Jahren und Industrie, taucht ab in eine Parallelrealität.
Wände von Sonnengold bis Waldseegrün, auf ihnen Rinnsale wilder Pinsel, Ausblühungen eines höchst kreativen Missbrauchs von Toilettenreinigern. Hier ein riesiger, sehr androgyner Jagger, dort ein winziger, sehr zorniger Malcolm X. Hier ein abgegriffener viktorianischer Reisekoffer, dort eine gewaltige US-Registrierkasse in Gold, die in Pesos rechnet. Rohrleitungen durchziehen adernhaft die Räume, als ob dies alles hier eine lebendige Maschine ist.
Wer drinnen draußen sitzen will, geht in den nur wenige Schritte tiefen Innenhof, Palme inklusive. Oben, im ersten Stock, wartet derzeit nicht nur die jähe „Libertad!“-Power der Bilder von Tobias Hoffmann alias Tobimann, sondern auch ein Engel mit durchbohrtem Herz – und eins dieser wuchtigen britischen Club-Ledersofas in burgunderrot. Unten, an der Theke, wo es fast immer Käsekuchen gibt, locken unter einem Glassturz Canoli aus Sizilien, mit Cremefüllung aus Haselnuss und Pistazie.
Wer Thomas Jankowski beschreibt, benutzt am besten Worte wie: Nonkonformität, Wagnis, Wandel. Da war die „Qlisse“, sein Atelier, das, eher zufällig, zum Club wurde. Da war sein Club „Mondflug“, der zum „Andere Welten“ wurde, später wieder zum „Mondflug“. Da war das „Pferde haben keine Flügel“, seine Tapas-Bar. Da war das „Träumen Wale vom Fliegen“, sein Restaurant.
Keine Scheu vor Risiken
Jankowski kann DJ und Möbelbau, hat Raumkonzepte für Einkaufszentren, Gastroanbieter und Messestände entworfen, deutschlandweit, hat in seiner Schokolaterie Glück verkauft, in seiner „Galerie an der Blitzanlage“ Radarfallenfotos verfremdet.
Risiken hat er dabei nie gescheut. In Mülheim an der Ruhr nicht, als es drum ging, zwei Flächen von je 17 mal drei Meter zu bemalen, plus ein halbes Dutzend kleinere von vier mal drei, in sechs Wochen. Schon in der Schule hat sich das abgezeichnet, wo im Kunstunterricht alles anfing mit der Kunst.
„Ich war echt gut. Alles, was an Hausaufgaben kam, hab ich gemacht, für alle. Bei einem Schulfest ist das dann aufgeflogen. Da gab’s eine Ausstellung mit Bildern aus unserer Klasse. 28 Stück. Alle von mir.“ Das Resultat: eine 6.
Die bekam Jankowski auch in Musik. Obwohl er eigentlich ganz musikalisch ist, nicht nur an der Gitarre, nur halt ohne Noten. „An dem Tag, an dem alle ihre Lieblingsplatte mitbringen sollten, hab ich ein Stück von James Brown aufgelegt, 14 Minuten lang. Die Lehrerin hat dann mittendrin die Nadel von der Platte gerissen. Sei ja unerträglich …“
Das ARTelier-Café ist, wie auch alle seine vorherigen Läden, sein zweites Wohnzimmer. „Deshalb sieht es hier auch so aus, wie es aussieht“, sagt Magda Jankowski. „Wir mögen das einfach.“ „Magda? Meine Muse!“, hat Thomas Jankowski mal gesagt. Augenzwinkernd zwar, aber es war genauso gemeint. Und dass seine Galerie, vier sehr farbsatte Räume rund um das britische Sofa, alle vier bis sechs Wochen eine neue „Support Your Local Artist“-Schau zeigt, ist nicht zuletzt ihr Werk.
Es ist übrigens wieder mal Zeit für einen Wandel. Diesmal bei Jankowskis Porträts. „Das soll mutiger werden, wilder, freier …“ Freiheit. Ein Wort, dass auf Jankowski passt. Besser als jedes andere.
ARTelier-Café: Osnabrück, Heger Straße 14
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