Aktienhandel zwischen EU und Schweiz: Börsenstreit eskaliert
Brüssel erkennt die Schweizer Börse „SIX Swiss Exchange“ nicht mehr als gleichwertig an. Bern erlässt eine Notfallverordnung.
GENF taz | Der Börsenstreit zwischen der Schweiz und der EU geht in eine neue Runde. Ab Montag dürfen Banken und Vermögensverwalter aus der Europäischen Union mangels Genehmigung durch die Brüsseler Kommission an der Schweizer Börse „SIX Swiss Exchange“ in Zürich nicht mehr mit Aktien und anderen Wertpapieren von Unternehmen handeln, die auch in Frankfurt, London, Stockholm und an anderen Finanzplätzen der EU gelistet sind. Im Gegenzug verbietet die Schweizer Regierung, dass Aktien Schweizer Unternehmen weiterhin an Börsen in der EU gehandelt werden.
Vor zwei Wochen hatte die EU-Kommission beschlossen, die sogenannte Äquivalenzanerkennung zur Gleichbehandlung der SIX Swiss Exchange mit den Börsen in der EU nicht mehr über den 30. Juni hinaus zu verlängern. Die EU hatte nach der Finanzkrise von 2008 strengere Regeln für ihren Finanzsektor eingeführt, darunter auch für den Handel mit Aktien.
Weil Finanzmärkte nicht abgeschottet sind, weitete die EU diese Regeln auf Drittstaaten aus. Sie sollen sicherstellen, dass Aktien von EU-Firmen nur an jenen Nicht-EU-Börsen gehandelt werden, die die Brüsseler Kriterien ebenfalls erfüllen. Ist das der Fall, erklärt die EU die ausländische Börse jeweils für zwölf Monate als gleichwertig (äquivalent) mit der Option auf regelmäßige Überprüfung und Verlängerung.
Mit der Weigerung, die Äquivalenzanerkennung der SIX Exchange zu verlängern, wollte die EU Druck auf die Berner Regierung machen, den seit November 2018 vorliegenden Entwurf für ein Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz zu unterzeichnen.
Hauptsächlich multinational tätige Konzerne betroffen
Das Abkommen zur Regelung der bilateralen Wirtschafts- und Rechtsbeziehungen hatte die Kommission zwar über fast fünf Jahre mit dem Schweizer Außenminister ausgehandelt. Es stößt aber aus unterschiedlichen Gründen bei einer Mehrheit der übrigen sechs Regierungsmitglieder auf Ablehnung oder Veränderungswünsche.
Von den Maßnahmen beider Seiten zur Einschränkung der Börsentätigkeiten sind in erster Linie die Aktien multinational tätiger Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz betroffen, wie Nestlé oder die Pharmakonzerne Roche und Novartis. Aktien dieser Börsenschwergewichte dürfen ab Montag an der italienischen Börse nicht mehr gehandelt werden. Die Londoner Börse schließt gar sämtliche 254 von Schweizer Unternehmen herausgegebenen Wertpapiere vom Handel aus.
Die Deutsche Börse ließ bislang lediglich verlauten, sie werde sich „an die geltenden Gesetze halten“. Rund 30 Prozent des Handels mit Aktien Schweizer Unternehmen wurden bis gestern auf Börsen und Plattformen in der EU abgewickelt.
Leser*innenkommentare
Sven2000
Und welche Kritikpunkte führten zur Einstellung des Handels?
Doch nicht nur das nicht unterzeichnete Abkommen. Das wäre trumpsch.
Swiss39
@Sven2000 @Sven, doch es geht genau darum. Die Schweizer Börse erfüllt alle regulatorischen Pflichten und war bis anhin immer ohne Probleme anerkennt worden. Man hat auch mehrere Asiatische Börsen anerkennt, aber ohne Bedigungen. Die Schweiz soll hier gezwungen werden etwas zu unterschreiben was einem Kolonialvertrag gleich kommt. Es wäre dann fertig mit der direkten Demokratie in der Schweiz. Dies lassen wir Schweizer uns natürlich nicht bieten, da wird sich die EU die Zähne ausbeissen.
Hannes Petersen
@Sven2000 Na, da will wohl jemand der scheidenden Insel zeigen, was auf sie zu kommt. ;-)