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Kolumne Minority ReportBaden mit Nazis

Ein Kurztrip ins Brandenburger Umland ist nicht immer schön. Vor allem wenn einem NPD-Plakate und Nazis begegnen.

Der sommerliche Badespaß bedeutet nicht unbedingt für alle einfach nur Vergnügen Foto: dpa

E igentlich wollten M. und ich nur einen unbeschwerten Kurztrip ins Brandenburger Umland machen, aber dann kamen uns Nazis dazwischen. Oder: Menschen, von denen ich vermute, dass sie es sind. Ich habe nicht nachgefragt. Seitdem mir mal ein Typ mit Glatze und Springerstiefeln versichert hat, dass er kein Rassist ist, sondern nur National-SOZIALIST, erwarte ich nicht mehr viel von solchen Gesprächen.

Auf dem Campingplatz am Helenesee nahe Frankfurt (Oder) schweift mein Blick über die Kleidung von drei Frauen, die an der Rezeption stehen: T-Shirts der Südtiroler Band Frei.Wild, deren Musik – so sagt man – in der rechten Szene gern gehört wird. Wir entscheiden, erst mal über den Campingplatz zu flanieren, um die Naziquote zu checken. Ich sehe in zwei Minuten vier Männer mit Glatze. Ich will nicht klären, ob hier Nazis sind, sondern nur, wie viele hier sind. Selbst der Brandenburger Verfassungsschutz hat kürzlich bekannt gegeben, dass die Zahl der erfassten Rechtsextremisten auf Rekordwert geklettert ist. Der Verfassungsschutz! Da lache ich sonst nur drüber.

Schon auf dem Hinweg haben uns NPD-Plakate begrüßt, die seit Mai offenbar keiner abhängen will. Überrascht bin ich nicht, ist ja nicht mein erster Ausflug nach Brandenburg. Weil aber derHelenesee inmitten von Kiefernwäldern betörend ist und die meisten Menschen freundlich wirken, bleiben wir. Beruhigend ist auch, dass neben uns ein Schwarzer Mann sein Zelt aufschlägt, der aussieht als könnte er uns im Notfall zur Hilfe kommen.

Mit der Zeit lernt man durchaus, Gefahren einzuschätzen. Saufende rechte Gruppe: eher schlecht. Nazis mit Familie: eher harmlos. Die Männer, die zu viel Bier trinken und Lieder über Bier hören, versuche ich auszublenden. Ich kenne aber einige People of Color, die sich das nicht zumuten würden. Weil es unentspannt ist – selbst wenn nichts passiert. Denn so ein Ausflug kann auch mit viel Blutverlust im Krankenhaus enden. Baden auf eigene Gefahr.

Naziraten am Badesee

M. und ich springen in den See. Aber im Bikini fühle ich mich unwohl, so als würde meine Haut zu viel Angriffsfläche bieten. M. sagt: „Du wirst angestarrt.“ Er kann es also auch sehen. „Es sind ein paar gruselige Menschen hier“, sage ich. „Nur weil jemand eine Glatze hat und sich nicht so kleidet wie ich, ist er für mich noch kein Nazi. Es sei denn, er trägt rechte Symbole oder äußert sich eindeutig“, sagt M. „Ich kann es mir nicht leisten, mir die Tätowierungen genau anzugucken“, sage ich. „Ich weiß“, sagt M.

M. ist weiß und sich seiner Privilegien bewusst. Er sagt solche Nicht-jeder-ist-ein Nazi-Sätze nicht aus Ignoranz oder Naivität heraus, sondern, weil es ihm wichtig ist, nicht alle Menschen sofort in Schubladen zu stecken. Deshalb ist er auch einer meiner Lieblingsmenschen. Wir verlieren uns in einem Gespräch über großstädtische Arroganz und Klassismus, wir reden darüber, ob man nicht mindestens mit Rechten sympathisieren muss, wenn man es in Kauf nimmt, als Rechter gelesen zu werden und stellen fest, dass es immer schwieriger wird, Rechte eindeutig zu identifizieren.

Am Abend gehen wir in eine Tanzbar und gucken uns Menschen an, die zu Schlagermusik auf und ab hüpfen. Es läuft Helene Fischer am Helenesee. „Der Typ da“ sage ich zu M. „ist das für dich ein Nazi?“ Ich deute auf einen jungen Mann mit Kampfsportlerstatur, Glatze, Jogginghose, Hoodie, Tattoos am Hals. M. sagt: „Ich weiß es nicht.“ Naziraten am Badesee, denke ich kurz, hätte Potential, eine Sommerfreizeitbeschäftigung zu werden, wenn es nicht so verdammt tödlich ausgehen könnte. M. sagt: „Komm, lass mal lieber gehen“ und weist zum anderen Ausgang, der nicht an diesem Mann vorbeiführt.

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Jasmin Kalarickal
Redakteurin
Jahrgang 1984, ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

9 Kommentare

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  • Wenige Tage nach der lebensgefährlichen Vorort-Recherche der Autorin, kam es tatsächlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Allerdings waren es "People of color", wie Frau Kalarickal sie nennen würde, die hier mächtig Stunk machten.



    Im Übrigen: Am Helenesee muss noch keine Security patrolieren, wie es in Berliner Freibädern (z.B. dem Columbiabad) längst nötig ist.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Auch wenn man Nazis schon lange nicht mehr an der Glatze erkennt, weiß man doch, dass es welche sind, trifft man sie in einer Gruppe am Badesee.

    Sie sind wie Alphatiere, sie dominieren ihre Umgebung. Dafür braucht es keinen Hitlergruß, da reicht ein langer Blick.

    In den 90er sind wir ein paar mal in großen Gruppen von Leuten mit verschiedenen Hautfarben zum Baden nach Brandenburg gefahren.

    Und natürlich trafen wir auf Nazis. Aber diese male haben wir den Anstarrwettbewerb gewonnen und sie haben sich getrollt.

    Antifa-Baden könnte man sagen.

  • Ich versuche gerade verzweifelt, diesen Text irgendwie für mich einzuordnen und komme zu dem Schluss, dass der Text zuerst einmal mehr über (die Außensicht von) Jasmin K. aussagt, als über die Menschen am Helenesee.

    Das soll keine Kritik sein.

  • Nun, die einzigen Personen mit reichlich Vorurteilen sind die Protagonisten der albernen Geschichte. Peter Tauber hat übrigens auch eine Glatze... Sagt ihrs ihm, oder darf ich?

  • Um eines vorweg zu sagen: Nazis raus! Da gibt´s für mich keine Diskussion.



    Aber dieser Artikel ist ja wohl ein völliger Null-Artikel, und der taz nicht würdig.

    Sie sehen "vier Männer" mit Glatze und setzen diese suggestiv mit Nazis gleich? Es sind "gruselige" Menschen am See, doch sie reden mit keinem und mutmaßen, dass das Nazis sein könnten? Sie sehen in einer Bar einen Mann im Kampfanzug und vermuten erneut, das müsse ein Rechter sein?

    Hallo, geht´s noch!? Bevor Sie hier solche eine Ansammlung an Vermutungen, Ahnungen, Mutmaßungen und "ich weiß nicht"-Äußerungen hinschreiben, empfehle ich: fragen, recherchieren, Journalismus lernen! Dieser Pseudo-Artikel ist Wasser auf die Mühlen der Rechten, sorry!

    • @Mambila:

      Das ist wohl ein Missverständnis.



      Ich hab mich in dem Artikel wiedergefunden.



      Er ist ja durch aus selbstkritisch gemeint, drückt die Angst vor dem nach rechts rückendem Deutschland, die Angst sich nicht mehr einfach geborgen fühlen zu können die Angst dass sich die Schrecken der Vergangenheit aktualisieren zu können...

  • Ich habe mich oft geirrt, wenn ich aus Angst Menschen in Schubladen gesteckt habe. Aber eigentlich reicht es aus, wenn man gut drauf ist und ein wenig den Blick auf die Menschen um einen herum schweifen lässt. Es ist nicht egal, ob Landeier einen z.B. als Nichteinheimischen ausmachen und friedlich anschauen oder sehr abweisend.



    Wenn sogar in entspannter Freizeitatmosphäre etwas Ausgrenzendes-Kaltes präsent ist, macht das Baden, Reiten, sich Sonnen, Federball spielen keinen Spaß. Aber die Feindlichkeit gegenüber den Anderen fällt dann leider auch auf die wohlwollenden Menschen in der Region zurück.



    Das erklärt neben anderen Faktoren die große Abwanderung. Das "Außen" wird immer größer, das Eigene schrumpft. AfD, Neonazis, Rassismus, Unfreundlichkeit, Mangel an Neugier und Sprachlosigkeit sind große Schrumpffaktoren. Offenheit und sich auf Andere einlassen, nicht das Äußere bewerten...führt zu neuen Möglichkeiten.

    • @Ataraxia:

      Ich habe mich oft geirrt, bis dann das T-Shirt ausgezogen wurde und wahlweise Reichsadler, Stahlhelm mit gekreuzten Dolchen, Totenköpfe mit SS-Ruhnen zum Vorschein kamen. Immer der gleiche Typus Mann. Seitdem sicherheitshalber immer in einer Schublade, auch ohne individuelle Tätowierungssichtung.