: Zuversicht in den Segeln
Erstmals treten bei der Kieler Woche zwei Seglerinnen aus „Emerging Nations“ an. Die Mosambikerin Deisy Nhaquile hat zu Hause viel Wasser, aber die Infrastruktur fehlt
Von Katharina Gebauer
Ab heute bis zum 30. Juni wird in Kiel zum 125. Mal gesegelt. Bei der diesjährigen Kieler Woche sind über 4.000 Segler*innen aus 50 Nationen dabei. Eine davon ist Deisy Nhaquile aus Mosambik. Sie tritt im Rahmen der diesjährigen verstärkten internationalen Ausrichtung in Kiel an. In Zusammenarbeit mit dem Weltseglerverband wurden erstmals zwei Segler*innen aus „Emerging Nations“ – aufstrebenden Schwellenländern – eingeladen. Neben Nhaquile ist außerdem noch Mariel Nikolova aus Bulgarien dabei.
Um eingeladen zu werden, mussten die beiden zuvor vom Nationalen Seglerverband vorgeschlagen werden. „Ziel ist es, dass sich die Aktiven der aufstrebenden Nationen eventuell an den Olympischen Spielen teilnehmen können“, sagt Nadine Stegenwalner, Vizepräsidentin von World Sailing. Die Qualifikation dafür findet in einem Monat in Tokyo statt.
Der Segelsportverband World Sailing übernimmt für die jungen Talente die Flugkosten, Kiel sorgt für die Charterboote, Meldegelder und Unterkünfte. Beide Athletinnen sind „Laser Radial“-Seglerinnen, was sowohl der Name der Einhandjolle ist, die sie bezwingen, als auch die Benennung der internationalen olympischen Frauenklasse, in der sie von Mittwoch bis Sonntag antreten werden. In den ersten vier Tagen starten sie in der offenen Serie.
Zusätzlich kommt Kiel mit der Einladung zweier Seglerinnen der Forderung des Internationalen Olympischen Komitees nach, die Frauenquote zu erhöhen. Nhaquile erklärt sich ihre Einladung durch die mediale Aufmerksamkeit, die sie durch die Teilnahme an den afrikanischen Championships, den sogenannten X-Games, bekam. Dadurch wurde World Sailing auf sie aufmerksam und unterstützt die junge Athletin seitdem. „Ich bin sehr dankbar für diese Einladung“, sagt Nhaquile. Emerging Nations wie Mosambik seien auf solche angewiesen, um den Segelsport im Land weiter zu fördern. Denn ihr Heimatland habe so viel Wasser und so viel Potenzial im Segelsport, dies müsse noch mehr ausgeschöpft werden.
Während das Segeln in Deutschland einen kostspieligen Hobbysport darstellt, musste Nhaquile in Mosambik keinen einzigen Cent für die letzten neun Jahre intensiven Trainings bezahlen: „Wir haben in Afrika viele Segelcamps, und viele Förderprogramme, damit mehr Leute zum Segeln kommen“, sagt sie. Sie selbst kam auch auf diesem Weg zu ihrer Leidenschaft. Aus eigentlichen Schwimmstunden wurden im Maritimo Club in Mosambik – dort wo sich mittlerweile Nhaquiles ganzes Leben abspielt – letztlich Segelstunden. „Mein Heimat-Segelclub hat mich zu der Athletin gemacht, die ich heute bin“, sagt Nhaquile.
Bei ihrem ersten Kontakt zum Segeln war Nhaquile zehn Jahre alt, ein Jahr später startete sie bereits in ihrem ersten Wettbewerb in der Optimistic-Klasse. Dieses kleinere Segelboot ist für Kinder bis 15 Jahre, danach folgte für Nhaquile Laser Radial. Um in dieser Klasse antreten zu können, musste sie Gewicht zunehmen und hart trainieren, denn um Balance auf dem Segelboot mit einem größeren Segel zu halten, benötigt sie viel Kraft.
Das hält die ehrgeizige Seglerin keineswegs davon ab, optimistisch auf die Qualifikationen für die Olympischen Spiele zu schauen. „Auf meiner optimistischen Sicht beruht mein ganzer Erfolg im Segeln“, erklärt sie. Dazu gehört außerdem eine ordentliche Portion Disziplin, denn neben dem Segeln studiert die Mosambikanerin Sportwissenschaften. Ihre Wochenenden verbringt sie größtenteils mit CR7 – ihrem Laser Radial – auf dem Wasser. Namensvetter ihres Segelboots ist Christiano Ronaldo, „CR7“ sein Spitzname.
Wenn es möglich wird, in Mosambik vom Segeln zu leben, wäre das Nhaquiles absoluter Traum. Allerdings fehlt dazu noch die Infrastruktur im Land. Es gibt weder Sponsoren noch ein festes staatliches Budget, dass für sportliche Entwicklungen ausgegeben wird. Deswegen entschied sie sich für ihren Studiengang: Deisy Nhaquile will Sportministerin ihres Landes werden. „In Mosambik werden Sportler – besonders Segler – nicht richtig verstanden. Diese Mentalität möchte ich zukünftig ändern“, sagt sie.
Genau aus diesem Grund ist der Afrikanerin klar: Der internationale Seglerverband sollte solche Programme auch in Zukunft umfangreich fördern. „Ich bin es gewöhnt, so häufig rumreisen zu müssen und eingeladen zu werden“, sagt sie. „Meistens bin ich eine der sehr wenigen Afrikaner*innen dort und das fühlt sich einfach komisch an.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen