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Streit über Rahmenvertrag mit der EUSchweizer Börse als Geisel

Von der Freizügigkeit bis zum Schutz des Lohnniveaus: Die EU-Kommission will das Rahmenabkommen mit der Schweiz endlich über die Bühne bringen.

Schweizer Käse: Bisher gibt es für den Handel mit Agrarprodukten ein bilaterales Abkommen Foto: dpa

Genf taz | Zwischen der EU und der Schweiz droht ein erheblicher Konflikt. Auf ihrer Sitzung am Dienstag wird die Brüsseler Kommission vermutlich erklären, dass sie der Schweizer Börse SIX ab Ende Juni den einfachen Zugang zu den europäischen Märkten entzieht. Mit dem Verlust der sogenannten Börsengleichwertigkeit würde der viertgrößte Handelsplatz Europas einen Großteil seines Handelsvolumens an Börsen in der EU verlieren. Europäische Anleger und Wertpapierhändler dürften Schweizer Aktien nicht mehr an der SIX handeln, wenn diese auch an Plätzen innerhalb der EU gelistet sind.

Für den Finanzplatz wäre das ein herber Schlag – zumal die EU die Diskussion über die Börse nur als Druckmittel in einem größeren Kontext nutzt: Am Dienstag trifft sich die EU-Kommission, um eine Gesamtbeurteilung der Beziehungen zur Schweiz vorzunehmen.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker würde dabei gern „Fortschritte und eine positive Dynamik“ bei den letzten Abstimmungen des seit November 2018 vorliegenden Entwurfs für ein Rahmenabkommen über die bilateralen Beziehungen verkünden können. In vier Monaten endet seine Amtszeit, und bis dahin will er den Vertrag unter Dach und Fach haben. Indem die Kommission die Börsengleichwertigkeit nicht verlängert, setzt sie die Verhandlungspartner unter Zeitdruck.

Verbindlicher Rechtsrahmen

Das bereits seit 2014 verhandelte Rahmenabkommen soll einen Rechtsrahmen für insgesamt sieben bilaterale Verträge zwischen der EU und der Schweiz etwa über die Freizügigkeit, Luftverkehr oder den Handel mit Agrarprodukten schaffen.

Der vorliegende Entwurf enthält nach Meinung der Schweiz aber „inakzeptable Auflagen“ der EU. Dazu zählt, dass EU-Richtlinien künftig praktisch automatisch übernommen werden sollen. Zudem soll die Schweiz bislang erlaubte Maßnahmen zum Schutz ihres Lohnniveaus vor Handwerkern und Dienstleistern aus dem Ausland aufweichen. Dagegen wehren sich neben den Gewerkschaften alle vier Berner Regierungsparteien, also die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP), die Sozialdemokraten, die wirtschaftsliberale FDP und die Christliche Volkspartei (CPV).

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1 Kommentar

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  • Die Maßnahmen der Schweiz zum "zum Schutz ihres Lohnniveaus vor Handwerkern und Dienstleistern aus dem Ausland" sind Janusköpfig. Denn auch unter EU-Recht gilt: "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" - alle in der Schweiz tätigen Unternehmen müssen auch künftig Schweizer Lohn- und Arbeitsbedingungen einhalten. Was entfällt, sind diskriminierende Maßnahmen, mit denen sich die Schweizer Unternehmen lästige Konkurrenz vom Hals halten wollen.