piwik no script img

Ex-Bunte-Chefin Riekel und die PolitikDie Grande Dame des Boulevard

Patricia Riekel will München glamouröser machen – nicht mehr als Boulevard-Journalistin, sondern als Politikerin. Sie will in den Stadtrat einziehen.

Riekel öffnete den Klatschjournalismus für die Politik – und will nun selbst Politikerin werden Foto: dpa

Würde Udo Jürgens noch leben, er könnte Patricia Riekel zu Ehren einen seiner Hits umdichten. Denn für Riekel, ehemalige Chefredakteurin der Bunten und damit First Lady of German Glamour, fängt nicht mit 66, sondern mit 69 Jahren ein neues Leben an. Patricia Riekel will in die Politik. Bei den Münchner Kommunalwahlen im kommenden Jahr will sie für die FDP in den Stadtrat einziehen.

„Weil ich seit fünfzig Jahren in München lebe“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Wohnungsnot, Mieten und der öffentliche Raum sollen ihre Themen werden. „Es werden viele neue Viertel geplant, denen aber die Leichtigkeit, der Charme und der italienische Flair fehlen, also all das, was das alte München ausmacht.“

Wer denkt, Klatschjournalismus und Politik gingen nicht zusammen, der irrt. Patricia Riekel war es, die das eine für das andere öffnete. 1997 übernahm sie die Chefredaktion der Bunten von Franz Josef Wagner, dem heutigen Bild-Kolumnisten. Während die Bunte unter Wagner fast ausschließlich über Adel- und Showstars tratschte, hiefte Riekel die Politprominenz ins Blatt. Unter ihr erschien erstmals ein Politiker, Gerhard Schröder, auf der Seite 1 der Zeitschrift. Von da an drängten Politiker mit Homestorys und Privatem in die Bunte.

Die dankte es ihnen, indem sie ihnen Glitzer übers Haupt streute. 2001 ließ sich etwa der damalige Verteidigungsministers Rudolf Scharping turtelnd mit seiner neuen Geliebten im Pool auf Mallorca ablichten, kurz bevor Bundeswehrsoldaten zum Einsatz nach Mazedonien aufbrachen. Scharping musste unter anderem wegen dieser Bilder gehen, die Bunte erreichte eine Rekordauflage, sie wurde zum „Leitmedium der Berliner Republik“ (der Soziologe Heinz Bude), die Zeit schrieb: „Riekel hat mit der ‚Bunten‘ mittlerweile die Deutungsmacht, wer in Deutschland zum Promi wird.“

Riekel postet fleißig Bilder von Hund Emil

Aber diese Macht war teuer erkauft: 2010 wurde bekannt, dass die Bunte eine Fotoagentur beauftragt hatte, Politikern hinterherzuspionieren. Franz Müntefering zog vor den Presserat, auch Christian Wulff, Günther Oettinger und Wolfgang Tiefensee wurden Opfer der Paparazzi-Methoden. Riekel rechtfertigte das Vorgehen damals als ihre journalistische Aufgabe.

Heute sagt sie gegenüber dpa: „Natürlich haben wir bei Bunte sicher auch das eine oder andere Mal Grenzen überschritten und Menschen verletzt.“ 2016 gab sie die Chefredaktion ab, nach zwanzig Jahren. Nun also will sie selbst in die Politik – wie ihr Lebensgefährte Helmut Markwort, der ehemalige Chefredakteur und Herausgeber des Magazins Focus. Er sitzt seit Herbst 2018 für die FDP im Bayerischen Landtag.

Ihre Berichterstattung über Politiker nannte Riekel in der Süddeutschen einmal „eine Art Tauschgeschäft“: Der Politiker gebe etwas Privates preis, dafür dürfe er dann ein Bild von sich setzen. Mal sehen, wie sie das als Politikerin handhaben wird. Wobei die Bunte heute längst nicht mehr die Bedeutung von damals hat – Promis veröffentlichen ihre Homestorys mittlerweile selbst, etwa bei Instagram. Riekel postet auf diesem Kanal bereits fleißig Bilder von ihrem Hund Emil.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Passt.

    Wann ist der Übergang der taz zum Neo-Lib-Lifestyle-Magazin vollzogen???