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Tamilen sind kein Partner mehr

In Sri Lanka wird nach der Ermordung des Außenministers über die Einstellung des Friedensprozesses mit den „Tamil Tigers“ und Strafmaßnahmen diskutiert

DELHI taz ■ „Wir haben unser Drehbuch verloren.“ So lautete die Antwort eines sri-lankischen Politikwissenschaftlers auf die Frage, wie der politische Prozess nach der Ermordung von Außenminister Laskhman Kadirgamar weitergehen soll. Präsidentin Chandrika Kumaratunga hatte zwar beteuert, dass sie am Friedensprozess festhalten werde. Doch ihr Premierminister Rajapakse sagte in seiner Trauerrede für Kadirgamar am Montag laut, was viele in Sri Lanka denken: Das Attentat habe einmal mehr gezeigt, dass es den Tamil Tigers der LTTE nicht um das Zusammenleben verschiedener Gemeinschaften gehe.

„Es ist diese Realität, für die Kadirgamar eingestanden ist, welche die LTTE zerstören will“, sagte auch der Chef des Friedenssekretariats, Jayantha Dhanapala: „Politik und Verhandlungsprozeduren müssen revidiert werden.“ Dazu zähle auch die Rolle des Friedensmaklers Norwegen, dem viele Sri-Lanker vorwerfen, gegenüber der LTTE zu nachsichtig, um nicht zu sagen parteiisch zu sein.

Der Dialog zwischen Regierung und Tamilenrebellen war bereits angesichts der zahlreichen Verletzungen der Waffenruhe durch die Tamil Tigers auf ein Minimum reduziert. Seit Februar 2002 werden der LTTE über 200 Morde an politischen Gegnern zur Last gelegt, die Fememorde gegen ihre eigene Rebellenfraktion im Osten nicht mitgezählt.

Um die Konfusion noch zu verstärken, kündigt sich bereits der Wahlkampf für das Amt des Staatspräsidenten an. In dieser Zeit dürfte der Friedensprozess ganz aufs Eis gelegt werden, umso mehr, als dessen zentrale Figur, Präsidentin Kumaratunga, nicht mehr als Kandidatin zur Verfügung stehen wird.

Die Regierung in Colombo erwartet nun auch von der internationalen Gemeinschaft, dass sie aus ihrer Verurteilung des „Terrorakts“ Konsequenzen zieht. Darunter versteht sie, dass das Ausland Sanktionen und eine Politik der Isolierung gegenüber „Entitäten und Individuen“ der LTTE ergreifen. Dazu zählen „praktische und effektive Maßnahmen, gemäß dem internationalen Recht zur Verhinderung und Unterdrückung des Terrorismus“. Dies schließe auch ein polizeiliches Vorgehen gegen solche Leute ein.

Im Klartext heißt dies, dass Colombo von anderen Ländern erwartet, die LTTE als Terrororganisation zu verbieten und gegen ihre Zellen im Inland vorzugehen. Doch falls die Regierung in Colombo diese Forderung selbst umsetzt, käme dies einem Ende des Friedensprozesses auf Sri Lanka gleich. LTTE-Unterhändler und -Delegationen, die in den letzten drei Jahren überall im Ausland als seriöse Gesprächspartner angesehen worden sind, profitierten von speziellen Reise- und Zollerleichterungen in Colombo. Diese würden im Rahmen einer verschärften Antiterrorpolitik zweifellos aufgehoben.

Die wahrscheinlichste Folge wird sein, dass der offizielle Verhandlungsprozess eingefroren wird. Dies würde ohnehin geschehen, falls noch in diesem Jahr Präsidentschaftswahlen stattfinden. BERNARD IMHASLY

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