Lilly Schlagnitweit Der Wochenendkrimi: Schwarze Seelen in weißen Hemden und eine reiche Oligarchin in Wien
Zu Beginn werden die Messer gewetzt. Doch die Nahaufnahmen des Gulasch-Gemetzels führen erst einmal in ein Restaurant, in dem das Wiener Ermittlungsteam aus Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) mit ihrem Vorgesetzten (Hubert Kramar als Ernst Rauter) beim Essen sitzen. Dann werden Fellner und Eisner zu einem Mord gerufen – und Rauter erhält gleichzeitig Weisung von oberster Stelle, die beiden vom Fall abzuziehen. Eisner und Fellner könnten also einfach sitzen bleiben, aber dann wäre der erste Tatort von Regisseurin Catalina Molina schnell vorbei.
Die stattdessen auf den Fall angesetzte Kollegin (Gerti Drassl als Julia Soraperra) möchte ihn nämlich schnell abhaken. Ihr Verdacht: Brutaler Raubüberfall – die Täter haben einfach geklingelt und die Frau und ihre zehnjährige Tochter niedergestochen. Ganz so einfach ist es dann aber nicht, denn Raoul Ladurner (Cornelius Obonya), der das Blutbad in der heimischen Küche vorfindet, ist kein unbekanntes Gesicht. Der Politiker hat Vorwürfe gegen eine ukrainische Oligarchin (Dorka Gryllus als Natalia Petrenko) erhoben, die „ein bisschen viel Parteienförderung“ betreibt und selbst in weißer Bluse vor Eisner steht, während sie von schwarzen Seelen in weißen Hemden spricht. Dass vor Kurzem ein Filmchen rund um Oligarchin, Korruption und Politik Österreich in Aufruhr versetzt hat, lässt den „Tatort“ gleich noch viel aktueller wirken. Wenn Petrenko bittet, Eisner solle sich von seinen Klischees über Oligarchinnen mit gutem Verhältnis zu Politikern befreien, fällt das also nicht nur ihm schwer.
Dass er auch dem Abgeordneten Ladurner nicht über den Weg traut erklärt Kommissar Eisner damit, dass ihn dessen Art an seinen Vater erinnere. Dabei hätte es diese Begründung fast nicht gebraucht, so manipulativ, aufbrausend und arrogant ist Ladurner. Die Beziehung zwischen ihm und Kommissarin Soraperra, als gute Bekannte des Politikers mit dem Fall betraut, ist schlimmer anzusehen als das ganze blutige Fleisch in der Küche.
Denn nicht nur Gespräche, die nie stattgefunden haben und Misstrauen unter Kolleg*innen zeichnen ein finsteres Gesellschaftsbild, auch die Familienverhältnisse rund um die Opfer sind mehr als zerrüttet. Die zahlreichen Verwirrungen auf persönlicher wie politischer Ebene tragen zwar nicht unbedingt zur größten Plausibilität der Geschichte bei. Dafür erlauben sie die Entfaltung einer Reihe starker Figuren, die fast spannender sind als der Fall selbst.
Wiener „Tatort“: „Glück allein“, So., ARD 20.15 Uhr
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