: Begehrte Rohstoffe
Auf einen Lieferstopp von Seltenen Erden wäre Europa nicht vorbereitet
Von Heike Holdinghausen
Die Schlagzeile klingt alarmierend: „Deutschen Firmen gehen die Seltenen Erden aus“. Die Industrie fürchte eine „Versorgungskrise“ und „technologischen Stillstand“. Die Meldungen stammen aus dem Herbst 2010: Da hatte die chinesische Regierung erstmals angekündigt, die Exporte der wichtigen Industriemetalle einzuschränken. Die Lieferungen an Japan stellte sie zeitweise ganz ein.
Auch eine breite Öffentlichkeit erfuhr nun, dass China ein Monopol auf die Produktion Seltener Erden hatte – und dass das ein Problem ist. Es folgte eine aufgeregte Diskussion, die in zahlreichen Gremien, Strategien und Forschungsaufträgen etwa über das Recycling oder die Substitution von Seltenen Erden mündete. Denn die Gruppe von 17 verwandten Metallen mit speziellen Eigenschaften ist wichtig für viele industrielle Anwendungen, etwa in der Kommunikationstechnologie, der Optik, für erneuerbare Energien oder Elektromobilität.
„Wir haben viele Gespräche mit der Industrie geführt, viel informiert“, sagt Maren Liedtke von der staatlichen Deutschen Rohstoffagentur (Dera). Passiert sei international aber wenig. Noch immer gebe es außerhalb Chinas nur wenige Anlagen, die aus Erz die Seltenen Erden gewinnen können. „Das Nadelöhr ist die Aufbereitung“, betont Liedtke.
Unterblieben seien „Investitionen in alternative Projekte, ob im Bergbau oder in der Aufbereitung“, sagt Reinhard Bütikofer. Der grüne EU-Abgeordnete war an vielen Initiativen zur Rohstoffpolitik beteiligt, etwa am „Europäischen Kompetenz-Netzwerk Seltene Erden“ (Erecon), das deren Recycling vorantreiben sollte. „Die EU-Kommission wollte etwas bewegen“, erklärt Bütikofer, „aber es gab keine Investitionen“. Und so sieht er die europäische Industrie heute auf eine chinesische Exportbegrenzung Seltener Erden nicht besser vorbereitet als vor zehn Jahren.
Allerdings ist die Situation derzeit eine andere: „Zwar ist es naheliegend, dass die chinesische Regierung die Seltenen Erden als Druckmittel im Handelskonflikt einsetzt“, sagt Yun Schüler-Zhou, China-Expertin der Dera. „Sie wird aber nicht den Konflikt mit dem Rest der Welt suchen.“ Generelle Exportbeschränkungen wie 2010 hält sie für unwahrscheinlich.
Zudem sei auch China „auf offene Rohstoffmärkte angewiesen“, sagt Luis Tercero vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI. „Es verfügt beispielsweise nicht über ausreichend Eisen und Kupfer.“ Die Massenmetalle importiert es vor allem aus Lateinamerika, Afrika und Australien.
Viel problematischer als die aktuelle Drohung hält Tercero die langfristige Strategie Chinas, keine Rohstoffe zu exportieren, sondern Komponenten, etwa Magneten, oder gleich fertige Produkte wie Motoren oder Autos. Angesichts der hohen Umweltbelastung, die die Gewinnung Seltener Erden bedeute, wolle die Regierung Chinas einen hohen Anteil der darauf bauenden Wertschöpfung im Land halten.
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