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Zum Plaudern in den Wohnhof

Auch strenge Umweltauflagen schrecken potentielle Bauherren nicht ab. Das Beispiel des Öko-Wohngebietes „Süthfeld“ in der ostwestfälischen Kleinstadt Werther zeigt, wie sich ökologisches Bauen und vermarkten lässt und viele Anhänger findet

von MAREN MEIßNER

In Werther gehört umweltverträgliches Bauen zum Alltag. Bereits sieben Wohnsiedlungen in der 12.000-Einwohner-Gemeinde, zehn Kilometer von Bielefeld entfernt, wurden unter ökologischen Gesichtspunkten gestaltet. Die größte ist mit 64.000 Quadratmetern das „Süthfeld“, an der Grenze der städtischen Bebauung gelegen. Die neuen Bauherren mussten sich unter anderem verpflichten, ihr Haus nach Niedrigenergie-Standards zu bauen, Regenwasser zu sammeln und zu nutzen, eine hohe Dämmleistung für ihr Haus erreichen und einen Winddichtigkeitstest bestehen.

Mittlerweile wurde das „Süthfeld“ mit dem Baulandpreis des Landes NRW ausgezeichnet und ist überregional als gelungenes ökologisches Baugebiet bekannt.

Als die Stadt 1997 mit dem Verkauf der Grundstücke begann, war deren Vermarktungszeit auf drei Jahre angesetzt. Besonders in der Stadtverwaltung und der CDU befürchteten viele, das Projekt der rotgrünen Stadtratsmehrheit würde Bauherren aufgrund der vielen Auflagen abschrecken - weit gefehlt. Innerhalb von zehn Wochen waren die 72 Bauplätze verkauft.

Dietmar Pollmann hatte Glück. Der Dozent für Sportwissenschaften an der Uni Bielefeld bekam den Zuschlag für ein Baugrundstück. Gemeinsam mit sechs anderen Familien hatten er und seine Frau sich auf ein größeres Areal beworben. Die Familien, die sich über gemeinsame Bekannte kennen gelernt hatten, waren vom Konzept des „Süthfeldes“ überzeugt. Neben den ökologischen Aspekten spielte für viele auch die gute Lage des Gebietes im „Speckgürtel“ von Bielefeld eine Rolle. Für Pollmann zählte neben der Nähe zur Uni die kleinstädtische Atmosphäre: „Werther gefällt mir und die Lage am Stadtrand, in der Nähe vom Wald, ist besonders für Kinder schön“, sagt er.

Die sieben Familien teilten die gekaufte Fläche eigenständig auf. So mussten sie sich nicht stur nach vorgegebenen Bauflächengrößen richten: „Wir haben zum Beispiel noch 100 Quadratmeter abgegeben, weil uns das Grundstück zu groß war“, sagt Pollmann. Die Bewohner des angrenzenden Mehrfamilienhauses freuten sich.

Nachdem die Bauplätze verteilt waren, begannen die Planungen mit einem Architekten. Zunächst mussten die Öko-Auflagen in die Hausplanung integriert werden. Neben einer Regenwasserzisterne mussten zum Beispiel Fenster aus einheimischen Hölzern eingebaut werden. Die Dämmung des Hauses wurde von einem unabhängigen Umweltbüro geprüft. Ebenso wurde die Winddichtigkeit gemessen, der „Zug“ von Wind durch Fenster, Türen und sogar Steckdosen.

Neben den verbindlichen Auflagen gab es einen Katalog von freiwilligen Baumaßnahmen, für deren Durchführung die Bauherren Punkte bekamen. So brachte zum Beispiel der Einbau eines Be- und Entlüftungssystems ebenso Punkte wie die Nutzung einer Solaranlage zur Stromerzeugung und der Einbau einer „Stop-Taste“ für die Toilette. Je nachdem, wie viele Punkte gesammelt wurden, erstattete die Stadt Werther bis zu zehn Mark des Kaufpreises pro Quadratmeter zurück - für viele ein Anreiz, über das Soll hinaus umweltfreundlich zu bauen.

„Wir hatten das Ziel, das Wohngebiet komplett ökologisch nachhaltig zu gestalten“, sagt Dorothee Gutjahr, damals stellvertretende Bürgermeisterin. Für sie als grüne Politikerin sei neben der Öko-Bauweise auch die gesamte Anlage des Wohngebietes wichtig gewesen. Am liebsten hätten die Grünen den Verkehr ganz aus der Siedlung verbannt. Eine Lösung, die bei den Grundstücksbesitzern jedoch auf Widerstand traf. Wenigstens für den Transport von Einkäufen wollten sie ihre Häuser mit dem PKW erreichen können.

Man einigte sich auf eine Hauptverkehrsader mit kleinen Stichstraßen, die jeweils in ein Rondell münden. An den Straßenrändern befinden sich Carports, damit die Autos nicht vor den Häusern geparkt werden müssen. „So ist es zumindest gelungen, die Rondells autofrei zu halten“, sagt Gutjahr. Diese auch Wohnhöfe genannten Gebiete, an denen je circa zehn Häuser liegen, sind die soziale Komponente in den „Süthfeld“-Planungen und bestehen aus einem geteerten Kreisel mit begrünter Fläche. Die Pflege der Innenfläche ist Aufgabe aller anliegenden Wohnparteien, viele haben Bänke aufgestellt und Blumen gepflanzt. Die kreisförmige Anordnung der Häuser soll für enge nachbarschaftliche Beziehungen sorgen.

Ein Konzept, das aufgeht. „Wir stellen im Rondell immer einen Weihnachtsbaum auf“, erzählt Pollmann. Der Kontakt zu den Anwohnern seines Wohnhofes sei ausgezeichnet - immerhin habe man gemeinsam geplant und gebaut. So ist er heute „super zufrieden“ mit seiner Wohnsituation. Auch Dorothee Gutjahr sieht das „Süthfeld“ als Beispiel gelungener Baupolitik: „Werther ist in dieser Hinsicht wirklich Vorreiter“.

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