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Havarierte Lebensentwürfe

Leipzig-Buchpreisträgerin Anke Stelling liest in Hamburg aus „Schäfchen im Trockenen“

Von Alexander Diehl

Desillusioniert, wenigstens in Teilen, aber dazwischen auch immer wieder sehr anrührend: So urteilte die taz über Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ (Verbrecher-Verlag 2018, 276 S., 22 Euro; E-Book 14,99 Euro). Ein Roman über Mutterschaft ist das, wie es so viele nicht gibt; über gescheiterte Lebensentwürfe auch, solche, die der Rest der Welt … na ja, der lesenden Republik gerne im Prenzlauer-Berg-Milieu ablädt: bei auf hohem Lebensstandard vereinsamenden Müttern, nicht mehr ganz so untrennbar vom Latte macchiato wie einst; dafür ist der nicht mehr aus richtiger Milch

„Schäfchen im Trockenen“ ist Stellings siebter an erwachsenes Publikum gerichteter Roman und ihr dritter beim grundguten Verbrecher-Verlag; dazu kamen ein Kinderbuch. Essays, eine taz-Weihnachtsgeschichte. Die Süddeutsche nennt ihn einen „Schlag in die Magengrube aller naiven Freunde der Mittelklasse“; man ahnt: Da könnte es ums Kulturteilpublikum gehen. Und man erkannte einen „Willen zur soziologischen Genauigkeit“. Das ist vielleicht der eigentliche Trumpf an diesen Wirklich-nicht-Frauen-Romanen: Sie wissen ums Soziale und dass es nie nur am Elan liegt, ob eine*r irgendwo hin gelangt oder nicht. So wie nun Protagonistin Resi: leidlich erfolgreiche Schriftstellerin, der Mann Künstler, vier Kinder – und kein Erbe in Aussicht, dieser zunehmend mächtige Unterschiedestifter.

Ob’s für den doppelbödigen Realismus war, dass Stelling im März den Leipziger Buchpreis erhielt? Die Jury lobte, in dem „scharfkantigen und harschen Roman“ würden „die starken Affekte – Wut, Zorn, Stolz – literarisch produktiv“; „eine verstörend uneindeutige, scharf belichtete Momentaufnahme“.

Do, 23. 5., 19.30 Uhr, Literaturzentrum, Schwanenwik 38, Hamburg

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