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Landeswahlleiter über Auszählung„Lieber langsamer“

Am Mittwoch verkündet der Landeswahlleiter das vorläufige Ergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl. Was ist beim Zählen wichtig?

Vorbereitungen der Briefwahl-Unterlagen im Bremer Zählzentrum Foto: Nikolai Wolff / Fotoetage
Interview von Benno Schirrmeister

taz: Herr Cors, Frau Temme, wann haben wir ein Bürgerschaftswahl-Ergebnis?

Andreas Cors: Ein erstes hochgerechnetes und vorläufiges Ergebnis liegt ab dem späten Sonntagabend vor. Und am Mittwoch darauf sind dann alle Wahlbezirke ausgezählt und wir haben ein Endergebnis. Ein vorläufiges, denn es wird noch Prüfungen geben, ob alles richtig erfasst wurde.

Haben Sie das Notstromaggregat gecheckt?

Cors: Selbstverständlich haben wir die Stromversorgung auf Herz und Nieren geprüft. Das hatten wir aber auch vor vier Jahren getan. Der Stromausfall, der bei der letzten Bürgerschaftswahl das Zählzentrum lahmgelegt hatte, war aber dem geschuldet, dass eine Sicherung rausgeflogen war. Da hilft ein Notstromaggregat wenig. Wir haben aber dafür gesorgt, dass die Leitungen im Zählzentrum verstärkt werden und ein Techniker immer dabei ist.

Im Interview2Inews: 

59, promovierter Ökonom, seit 2018 Landeswahlleiter, bis dahin dessen Stellvertreter.

Sie haben auch mehr AuszählerInnen?

Evelyn Temme: Nein, das Auszählzentrum war bereits bei den vorherigen Bürgerschaftswahlen immer voll besetzt, wir hätten dort gar keine Kapazitäten mehr. Wir haben mehr Wahlhelferinnen in den Wahllokalen, weil dort ja auch noch die Europawahl ausgezählt werden muss.

Cors: Es sind drei Wahlen – Europawahl, Bürgerschaft, Beiräte und der Volksentscheid. Mit dem wird nach dem Mittwoch begonnen, wenn die Bürgerschaftswahl ausgezählt ist. Dafür rechnen wir etwa einen Tag …

Temme: … weniger! Der Volksentscheid ist schnell ausgezählt. Wir müssen damit aber warten, bis wir am Mittwoch mit der Bürgerschaftswahl durch sind. Und wir wollen nicht mit dem Volksentscheid beginnen, wenn es danach schon fortgeschrittener Tag sein sollte.

Im Interview2Inews: 

35,promoviertePolitologin, leitet seit 2014 die Geschäftsstelle des Landeswahlleiters.

Warum?

Temme: Es wäre unglücklich, wenn er an einem Tag nur zur Hälfte ausgezählt würde und dann möglicherweise schon Teilergebnisse durch die Stadt geistern. Gerade beim Volksentscheid gibt es ja nur die Möglichkeit, Ja oder Nein zu stimmen. Da scheint sich ja schnell ein Resultat abzuzeichnen, die Helfer tragen das rum, dann schnappt es irgendwer auf – und am nächsten Tag kippt es noch mal! Nein, das wäre höchst unglücklich. So etwas wollen wir vermeiden. Wir entscheiden am Mittwoch, ob wir an dem Tag alles auf einmal schaffen – oder ob wir die Auszählung komplett auf Donnerstag vertagen.

Vor vier Jahren hatte es nach der Bürgerschaftswahl diverse Anfechtungen gegeben. Wie lässt sich dem vorbeugen?

Cors: Letztlich lässt es sich nicht verhindern: Die Auszählung ist öffentlich, und wenn da jemand etwas beobachtet und meint, da gehe etwas nicht mit rechten Dingen zu, hat er oder sie die Möglichkeit, im Wahlprüfungsverfahren die Dinge klären zu lassen. Wir können nur unsere Arbeit so machen, wie wir sie machen müssen – festgehalten in den verschiedenen Gesetzestexten und Vereinbarungen.

Bei der Wahl 2015 hatte eine Partei in Bremerhaven mit 4,9899 Prozent knapp die Fünfprozenthürde verfehlt – und Wahlamt und AuszählerInnen – in erste Linie waren das SchülerInnen – der bewussten Fälschung und Manipulation bezichtigt. Der Staatsgerichtshof hat dann eine Fehlerquote ermittelt …

Cors: … die im Promillebereich lag. Ja.

Haben sich die Verleumder danach entschuldigt?

Temme: Nein. Hier jedenfalls nicht. Ich war damals sehr nah am Prüfungsverfahren dran: Aus unserer Sicht hatte der Einspruchsgegner aufgrund eines knappen Wahlergebnisses seine Beschwerde formuliert, aber letztlich ohne sachlichen Grund.

Die Zeitung Die Welt hatte sich damals bemüht, die Vorwürfe ungeprüft zu verbreiten.

Temme: Es wurden zwei Dinge bemängelt. Einmal, dass Formulare von den Wahlvorständen unzureichend ausgefüllt waren: Tatsächlich sind diese Formulare sehr kompliziert, und nach jahrelanger Diskussion auch mit dem Bundeswahlleiter haben wir jetzt die Gestaltung hoffentlich so anpassen können, dass die Fehler nicht mehr unterlaufen. Der zweite Vorwurf war, es wäre unsauber gezählt worden.

Wurde aber nicht?

Temme: Wie gesagt, die Fehlerquote lag im Promillebereich. Wir haben ja dann alles nachzählen müssen, und dabei zeigte sich, dass dort, wo Fehler passiert sind, weder von der Benachteiligung noch von Bevorzugung einzelner Parteien gesprochen werden konnte und schon gar nicht von willentlicher Manipulation. Wo Menschen zählen gibt es eine Fehlerquote.

Cors: Da gab es nach meinem Verständnis eine große Kampagne, die vollkommen ungerechtfertigt war, sowohl gegenüber dem Verfahren als auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern. Da sind nur Dinge passiert, die immer passieren, wenn solche Mengen an Stimmzetteln ausgezählt werden.

Trotzdem zählen diesmal in Bremerhaven keine SchülerInnen aus?

Temme: Das hat aber nichts mit dem Wahlprüfungsverfahren von 2015 zu tun, sondern damit, dass Europawahl ist, und man die SchülerInnen dadurch drei Tage lang binden müsste. Wir können nicht drei Tage lang die Schulen schließen.

Beim letzten Mal war Bremerhaven doch nach einem Tag ausgezählt, warum sind es mit der Europawahl drei?

Temme: Der Staatsgerichtshof hat uns aufgetragen, den Zeitdruck aus der Auszählung rauszunehmen, lieber langsamer und dafür noch gründlicher zu zählen.

Die unwahre Geschichte von den falsch zählenden Schüler­Innen hält sich zäh: Erst im November hat buten un binnen sie noch einmal aufgewärmt …

Temme: Sie bekommen das aus den Köpfen nicht mehr raus. Wir müssen dazu ja nach wie vor Fragen beantworten, in erheblichem Umfang. Oft heißt es dann, wie wir das hätten zulassen können, dass da Minderjährige zählen – der Ausdruck wird dann genutzt. Da müssen wir ganz stark bremsen: Denn, das sind Wahlberechtigte. Die dürfen wählen. Wer wählen darf, darf auch auszählen.

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