piwik no script img

Vom Beet auf den Teller

Gartenbau ist in Waldorfschulen, anders als in staatlichen Schulen, Teil des Unterrichts. An der frischen Luft lernen die Kinder das Gärtnern. Ein Ausflug in ein Harburger Idyll

Keine einfache Sache: Gartenbau-Ingenieurin Angela Sanmann zeigt ihrer Klasse, wie das mit dem Salat-Anbau so funktioniert Foto: Fotos (2): JOTO

Von Julika Kott

Kartoffeln, Salat, Spinat, Zwiebeln, Fenchel, Kohlrabi: Im Gemüsegarten der Rudolf-Steiner-Schule in Hausbruch wächst so Einiges, alles von Schüler und Schülerinnen angebaut. Das Stückchen Naturparadies liegt, umringt von einem dichten Wald, etwa einen Kilometer vom Schulgelände entfernt. Von der Straße führt ein ­schmaler Weg runter zu einer Sieben-Zwerge-tauglichen Holzhütte, rundherum stehen Gewächshäuser, es gibt gepflegte Beete. Noch wächst nicht viel, es ist noch früh in der Saison.

Mindestens einmal die Woche besuchen die Schüler und Schülerinnen der 5. Klasse hier den Gartenbau-Unterricht. Denn die Schule in Harburg ist eine von elf Waldorfschulen in Hamburg: Hier wird nach der Lehre vom Waldorfschulen-Gründer Rudolf Steiner gelehrt. Und dazu gehört eben auch Gartenbau-Unterricht.

Hausbruch ist eine Naturidylle, vom Harburger Industriegebiet ist hier nichts mehr zu sehen. Bis auf das Zwitschern der Vögel und das entfernte Rauschen der Autobahn ist es im Wald still. Sind wir etwa in Bullerbü? Fast! In der rustikalen Holzhütte duftet es nach frisch gebackenem Brot, das holt Gartenbau-Lehrerin Angela Sanmann gerade aus dem Ofen. Sie ist ausgebildete Gartenbau-Ingenieurin und arbeitet seit einem Jahr an der Harburger Waldorfschule.

Aufgeregt und neugierig plappern die Kinder durcheinander, am liebsten würden sie gleich starten. Zuallererst müssen aber die Aufgaben zwischen den Schülern und Schülerinnen aufgeteilt werden. Alle sollen schließlich mitmachen können und, bitte, nicht immer dieselben. Das soll schon fair sein. „Wer übernimmt den Hühnerdienst?“, fragt Sanmann. Wer was macht, das entscheiden die Kinder selbst. Schon heben drei Schülerinnen ungeduldig die Hand. Kompost-Dienst, ihr drei, und die restlichen kommen mit auf das Gemüsebeet. Es stört nicht, wenn nicht alle mitmachen, das können die WaldorfschülerInnen ebenfalls selbst entscheiden.

Mit Heugabel und Schubkarre legen die Kinder los. Klar müssten sie noch lernen, auf einem Feld zu arbeiten, sagt Sanmann. Aber die haben großen Spaß an der Gartenarbeit und machen fleißig mit. Jeder Klasse wird ein Beet zugeteilt, darum müssen sie sich kümmern und tragen die volle Verantwortung. Erfolg nicht garantiert.

„Die Jüngeren, die brennen noch dafür, bei den Älteren ist es ein bisschen komplizierter, die haben andere Sachen im Kopf“, meint die Lehrerin. Bis in die zehnte Klasse wird Gartenbau unterrichtet. Aber wozu eigentlich? Die Kinder sollen lernen, woher ihre Lebensmittel kommen – nämlich nicht aus dem Supermarkt – und wie sie wachsen.

Gerade, als alle ihre Aufgaben anpacken wollen, wird es abenteuerlich: Den Kohlrabi hat eine Maus abgeknabbert, die sich nun im Gewächshaus versteckt. Das ist ein Fest! Alle machen mit und wollen das arme Tier in die Enge treiben. Kein Mitleid mit dem Mäuschen, die Übeltäterin muss gefasst werden. Schließlich ist das für die Fünftklässler viel Arbeit gewesen, den Kohlrabi zu züchten. Gut, jetzt reicht’s, alle auf ihre Posten.

Auf dem Beet zeigt Sanmann ruhig, wie der Kopfsalat richtig eingepflanzt wird. Tief konzen­triert folgt die kleine Gruppe ihren Anweisungen. „Was wollen wir jetzt pflanzen?“, fragt ein Kind. Kaum ist der letzte Salatkopf im Boden, muss es weitergehen, und schon machen sich die Kinder an den Fenchel ran.

Die Hände werden schmutzig, die Zungen sind rausgesteckt, die Salate werden mit den Daumen gedrückt, der Fenchel ist verheddert, die Zwiebeln sehen traurig aus. Alles wird gegossen, aufmerksam werkeln die SchülerInnen rum. „Es ist ja wichtig, das zu wissen, wenn ich mal meinen eigenen Garten habe“, sagt ein Schüler.

Im Gartenbau-Unterricht pflanzen die Kinder nicht nur. Sie säubern auch den Hühnerstall. Die Schülerinnen wissen bereits, wie das geht: altes Heu raus, frisches Heu rein. Dazwischen gackern die Hühner herum. Angst vor den Tieren haben sie nicht. Ein Mädchen sagt: „Die sind sehr zahm und lassen sich gerne hochnehmen“ – nur heute nicht.

Jedem Gärtner seine Forke

Eine andere Gruppe schaufelt den Kompost. Plötzlich kreischen sie. Zwischen seinen Fingern hält ein Junge ein zappelndes Würmchen, das bekommen die Hühner. Woher sie wissen, dass Hühner Würmer essen? Na, das weiß doch jeder!

Geerntet und verwertet werden Salat und Kohlrabi noch vor der Sommerpause. Das ist natürlich der beste Teil, das Essen! Der Roggen zum Beispiel wird gesät, gedroschen, geerntet und zum Abschluss gibt es selbstgebackenes Brot für alle. Und das ist nicht das Einzige: Aus den Kürbissen wird Kürbissuppe zubereitet. Aus den Früchten wird im Herbst Marmelade gekocht, sagt Sanmann. Ein Junge fügt hinzu: „Mit Pfannkuchen, aus den Hühnereiern!“

Von der Aussaat bis in die Küche verfolgen die Kinder den gesamten Prozess der Lebensmittelerzeugung. Für manche sind es die ersten Einblicke in die Selbstversorgung. Ob das die Hauptmotivation der FünftklässlerInnen ist? Im Moment ist das wichtigste der Spaß, das Essen und … der Spaß.

Den Eltern dagegen ist es offenbar sehr wichtig, dass den Kinder der Umgang mit der Natur nicht fremd bleibt. Sie stecken selbst viel Arbeit in den kleinen Bauernhof. Freiwillige haben die Gewächshäuser und den Hühnerstall gebaut, sogar Bienenstöcke gibt es auf dem Gelände.

Ein Marmeladenbrot schmieren sich die Schüler und Schülerinnen noch, dann geht’s schon wieder entspannt zur nächsten Stunde – allerdings im Klassenzimmer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen