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Tanzbare Maschinenmusik

Die Band Inner City um Kevin Saunderson steht für Detroit-Techno, ohne für diesen wirklich typisch zu sein, weil ihr Sound House und Soul enthält. Bei der Rückkehr des Trios auf die Konzertbühnen ist neben Sängerin Paris Grey auch Saundersons Sohn mit von der Partie

Bei der Musik von Inner City denkt niemand an die verlassene Innenstadt Detroits und eine hohe Kriminalitätsrate

Von Andreas Hartmann

Inner City, die Techno-Band, die ewige Gassenhauer für die Achtziger-Jahre-Party wie „Big Fun“ und „Good Life“ geschaffen hat, ist zurück. Ein paar neue Stücke hat das Projekt produziert, vor allem aber ist es wieder live auf der Bühne zu sehen. Auf der großen „30 Years Anniversary World Tour“ macht das Trio auch in Berlin Station.

Inner City ist ein wichtiger Teil der Techno-Historie und gleichzeitig eine Anomalie innerhalb des Genres. Wie viele Techno-Bands gibt es denn sonst noch? Und bei welchen Techno-Acts stehen die Vocals so im Vordergrund wie bei Inner City?

„Big Fun“, der erste große Hit des Trios, war mit vertreten auf der sagenumwobenen Compilation „Techno – The New Dance Sound Of Detroit“ aus dem Jahre 1988. Einem A&R der Plattenfirma Virgin wurde damals gesteckt, dass da in Detroit gerade ein ganz neuer Sound steil gehe, eine Mischung aus Kraftwerk und Funk, ein tanzbarer Maschinensound, etwas ganz Neues. Der Plattenfirma war das einen Versuch wert, sie veröffentlichte den Sampler, der dann in Berlin genauso einschlug wie in London. Und der einem Genre, das man bis dato nur als Acid-House kannte, einen neuen Namen gab: Techno.

Dabei ist „Big Fun“ gar kein Techno. Sondern eher House, Pop-House vielleicht. Ein simpler Dance-Groove und darüber die souligen Vocals der Sängerin Paris Grey, die darüber singt, dass sie wahnsinnigen Spaß auf der Party hat, die hoffentlich die ganze Nacht gehen wird.

Trotzdem: Der neue Sound aus Detroit hatte seinen Namen weg, und Inner City galten als dessen kommerziell erfolgreichstes Aushängeschild. Das Trio landete weltweit in den Charts, auch in Deutschland. Ohne den großen Erfolg von Inner City, das lässt sich zumindest mutmaßen, hätte Techno Berlin vielleicht gar nicht so rasend schnell erobert.

Auch dem Bild, das man sich bald von Detroit als dem Geburtsort von Techno machen sollte, entspachen Inner City eigentlich nicht. Keine Wunder, dass Techno in Detroit erfunden wurde, sagen die Historiker heute, in einer kaputten, ökonomisch gebeutelten Stadt, die von den damals neuartigen unterkühlten Klängen perfekt abgebildet wird und gleichzeitig in eine bessere Zukunft verweist. Doch bei der Musik von Inner City denkt niemand an die verlassene Innenstadt Detroits, an kaputte Gebäude und eine hohe Kriminalitätsrate. Sondern an Smileys, Blümchen im Haar und an das „Good Life“, das das Trio in einem ihrer größten weiteren Hits beschwor. Inner City, auch das macht das Projekt aus heutiger Sicht so verwirrend, steht für Detroit-Techno, ohne für diesen wirklich typisch zu sein.

Dass Inner City und ihre Musik in den letzten dreißig Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung nie als reiner Retro-Trash oder Novelty-Gag aus einer längst vergangenen Zeit wahr genommen wurde wie etwa Eurodance, liegt natürlich an der Integrität des Masterminds hinter dem Projekt. Kopf von Inner City war damals schon Kevin Saunderson und natürlich ist er das immer noch.

Und der Name Saunderson steht dann eben doch für Detroit-Techno in seiner reinsten Form. Kein Geschichtsbuch über Techno kommt ohne ihn aus. Zusammen mit Juan Atkins und Derrick May bildet er die berühmten Belleville Three. Die drei späteren Techno-Innovatoren gingen zusammen auf die Highschool in Belleville in der Nähe Detroits, und alle drei begeisterten sich für dieselbe Musik – Kraftwerk! Parliamant! –, fummelten nach der Schule an Synthesizern und neuen Klangerzeugern aus Japan herum und erfanden dabei Techno. Alle drei gründeten außerdem eigene Labels, Saunderson nannte seines KMS, eines der einflussreichsten Techno-Labels überhaupt.

Wirklich produktiv und erfolgreich waren Inner City bloß ein paar Jahre lang. Von 1987 bis 1992. In der Zeit veröffentlichten sie ein paar Alben und zig Singles. Vor allem in England, wo die neue Musik aus Detroit bald ähnlich einschlug wie in Deutschland, waren Inner City erfolgreich. Gerade deren Soul hatte es den Briten wahrscheinlich angetan, etwas, das in Deutschland noch nie die Bedeutung hatte wie in Großbritannien. Zig ihrer Stücke, für die man sich hierzulande kaum noch interessierte, landeten dort in den Charts, auch in den späten Neunzigern noch. Aber irgendwann wurde das Projekt doch auf Eis gelegt, auch wenn Kevin Saunderson es nie offiziell beendigt hatte.

Ob die Rückkehr von Inner City, bei der auch Sängerin Paris Grey mit von der Partie ist, vor allem die Sehnsucht nach nostalgischen Gefühlen bei älter gewordenen Ravern bedienen soll, bleibt abzuwarten. Immerhin hat die Band mit „Good Luck“, „You Give Me That Feeling“ und „Future“ auch einige neue Stücke produziert. Abzuwarten bleibt, was die Live-Show bringen wird. Immerhin sucht Saunderson ja den Schulterschluss zur Jugend. Mit dabei ist nun sein eigener Sohn Dantiez, wie der Herr Papa auch ein Techno-DJ. Das ist sicherlich auch als Aufforderung zu verstehen: Auch wer noch keine 50 Jahre alt ist und damals auf der allerersten Loveparade in Berlin mitgehopst ist, soll willkommen sein beim Konzert.

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