Die Wahrheit: Rugby ohne Kreuzzug
Neues aus Neuseeland: Nur wegen eines einzigen Attentats möchte eine Traditionsmannschaft Aotearoas nicht ihren klangvollen Namen ändern.
N ach dem Moschee-Attentat in Christchurch ist nichts, wie es mal war. Der Frieden im Lande, satt wie ein Schaf, ist hin. Reden wir nicht von den muslimischen Witwen und Kindern, den Traumatisierten und Verkrüppelten, sondern lieber von all den Kiwis, denen der Mord an 50 unschuldigen Menschen am 15. März nachhaltig das Leben versaut hat: den Rugby-Fans.
Nicht nur hat unsere demnächst heilig gesprochene Premierministerin die Waffengesetze verschärft, was zwar international Eindruck machte, aber bei der Maori-Gang Mongrel Mob durchfiel. Deren „Päsident“ Sonny Fatu will nicht widerstandslos halbautomatische Waffen bei der Polizei abliefern. Die braven Bürger, die weiter solche Wummen wollen, um Hasen zu schießen, aber sich ans neue Gesetz halten, fühlen sich diskriminiert: Gangster ballern weiter, Jäger nicht.
Parallel dazu plädierte Schauspieler Sam Neill – wer noch nicht „Hunt for the Wilderpeople“ gesehen hat, tue es bitte jetzt! – dafür, die vor acht Jahren im Erdbeben zerstörte Kathedrale Christchurchs nicht mehr aufzubauen. Passender sei ein interreligiöses Gebäude, das Muslime und Juden, Christen und Buddhisten unter einem Dach versammele. Was für ein Sakrileg. Da kann man ja gleich Christchurch umbenennen in Allahtown!
All der Knarren- und Kathedralenzwist ist jedoch Kikikram angesichts dessen, was die Anhänger von Christchurchs Rugbymannschaft Crusaders wegen der Moscheeopfer durchmachen. Der Name der angeblich besten Mannschaft der Welt bedeutet „Kreuzritter“. Die gingen einst im Namen der Kirche auf Kreuzzüge und brachten Muselmanen um. Beim dritten Kreuzzug im 12. Jahrhundert zum Beispiel befahl König Richard Löwenherz die Enthauptung von 2.700 Menschen, die meisten Frauen und Kinder.
Jetzt haben die Crusaders ein PR-Problem. Sie sollten sich umbenennen. Beim letzten großen Rugby-Spiel vor ein paar Wochen verzichteten sie bereits auf ihre Pferde, Schwerter und Ritterkostüme. Dass jedoch auch diese Bastion neuseeländischer Identität mit dem martialischen Namen fällt, will nun eine Petition verhindern: 33.000 Unterschriften hat sie bereits. Denn was haben ein paar uralte Massaker mit Sport zu tun?
„Wenn man auf den Crusaders rumhackt, warum dann nicht auf den Highlanders wegen der englisch-schottischen Kriege, die vor Ewigkeiten passierten?“, empört sich Rugby-Fan Shane Cannons, der die Petition vorantreibt. „Wo hört das auf?“ Das sei reine Überreaktion und würde 100 Millionen Dollar kosten. So teuer ist ein neuer Name.
Keine Überreaktion dagegen beim Anzac Day letzte Woche, der jedes Jahr mit viel Militärpomp die rund 8.000 bei der Schlacht um Gallipoli im Ersten Weltkrieg gefallenen Kiwis würdigt. Auf osmanischer Seite gab es fast eine Viertelmillion Tote und Verletzte. Der Vorschlag eines Veteranen in Porirua, auch den Gebetsruf eines Imams bei den Feierlichkeiten zuzulassen, wurde abgeschmettert.
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