liebeserklärung: Schweine
Forscher haben die Stoffwechselaktivitäten der Gehirne von toten Schweinen reaktiviert. Nun reden die Menschen über Hirntod und Organspenden – aber nicht über die toten Tiere
An der Yale-Universität haben Hirnforscher die Stoffwechselaktivitäten der Gehirne von 32 jungen Schweinen vier Stunden nach ihrem Tod wiederhergestellt, indem sie einen sauerstoffhaltigen Blutersatz durch die Gefäße gepumpt haben. Das gibt der Debatte über Organspenden, deren Ausgangspunkt der Gehirntod ist, neue Argumente, meint die FAZ, denn bisher „gelten beim Menschen schon wenige Minuten ohne Sauerstoff als fatal“.
Mich interessieren die anthropozentrischen Perspektiven nicht, die armen Schweine allerdings sind aller Mühen wert. Denn nicht nur verdanken wir ihnen Schnitzel und Blutwurst, sondern auch noch so manches Organ, das in Menschen transplantiert wird – Herzklappen, Haut und Bauchspeicheldrüsen zum Beispiel. Man spricht vom „Ersatzteillager Schwein“.
Deswegen ist die Reanimierung der Tiere nach ihrem Hirntod eine Wiedergutmachung, wenn auch nur in symbolischer Hinsicht, denn sie wurden natürlich nach diesem erfolgreichen Versuch der US-Hirnforscher entsorgt. Die Debatte wird jedoch nicht von Schweineliebhabern geführt, sondern von Humanethikern und Medizinern.
Erstere schimpfen, die die Ergebnisse veröffentlichende Redaktion von Nature habe pünktlich zum Fest der Auferstehung eine sensationsheischende Story gebastelt, die den Eindruck erwecken solle, der erste Schritt sei getätigt, Säugetiere und damit auch Menschen aus dem Tod zurückholen zu können. Die Mediziner befürchten, dass fortan Patienten länger intensivmedizinisch behandelt werden müssen, bevor man sie für tot erklären darf.
Zurück zu den Schweinen, von denen ein Deutscher durchschnittlich 46 im Laufe seines Lebens verzehrt. Der Kulturforscher Thomas Macho sagt über sie: „Schweine sind uns nah und fern zugleich. Sie sind intelligent, neugierig, verspielt. Sie sind wild, gefährlich und mutig. Wenn sie umgebracht werden, schreien sie wie wir. Der Geschmack ihres Fleisches ähnelt dem von Menschenfleisch. Im Mittelalter hat man Schweinen den Prozess gemacht.“
Kurzum: Mit ihren vielen Organen und Schnitzeln in unseren Körpern über die Jahrtausende werden wir ihnen immer ähnlicher: Irgendwann werden wir hoffentlich auch unsere Organe in ihre Körper transplantieren.
Helmut Höge
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen