: Milieu und Bühne
Der deutsch-israelische Rapper Ben Salomo klagt den Antisemitismus an
Ben Salomo: „Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“. Europaverlag, Berlin 2019, 240 S., 18 Euro
Der Antisemitismus feiert in Deutschland wieder fröhliche Urständ. Und spätestens seit dem Eklat um die Echo-Verleihung an die Rapper Kollegah und Farid Bang weiß man, dass gerade in den Texten deutscher HipHop-Größen „Juden“ und „die Rothschilds“ gängige Topoi sind. Doch statt die Texte zu verbieten, erklären Gerichte sie zu schützenswerten Kunstwerken, Millionen Jugendliche konsumieren diese antisemitische Musik, und Eltern hören weg.
Das nahm der deutsch-israelische Rapper Ben Salomo zum Anlass, um mit gerade einmal 41 Jahren eine Autobiografie vorzulegen. Ben Salomo wurde 1977 als Jonathan Kalmanovich in der israelischen Stadt Rehovot geboren. Im Alter von vier Jahren zog er mit seinen Eltern nach Deutschland und wuchs in Berlin auf. Er zählte für viele Jahre zu einer der prägenden Figuren des deutschsprachigen HipHop und etablierte mit dem Liveformat „Rap am Mittwoch“ eine wichtige Plattform für Nachwuchskünstler. 2018 verabschiedete er sich aber endgültig aus der Rapszene, weil er immer häufiger auf Antisemitismus traf.
„Ben Salomo bedeutet Sohn des Friedens“ ist zuallererst die Geschichte eines Jungen mit einem Migrationshintergrund, der nicht den weithin bekannten Erzählungen entspricht. Jüdische Israelis zählen da in der Regel nicht zu den sogenannten Problemgruppen. Dabei können sie, wie Ben Salomo eindrücklich zeigt, die gleichen Schwierigkeiten antreffen wie andere Einwanderer. Er wächst in Problembezirken auf, lernt früh die Gewalt auf der Straße kennen, hat mit den gesellschaftlichen Anforderungen zu kämpfen, erfährt Diskriminierung, die Familie zerbricht, und er rutscht ins kleinkriminelle Milieu ab. Das alles erzählt Ben Salomo sehr authentisch.
Er gewährt überdies interessante Einblicke in jüdisches Leben in Deutschland. Und damit sind wir dann auch direkt beim Antisemitismus. Ben Salomo zeigt, dass im heutigen Deutschland Judenhass nicht nur von Springerstiefel tragenden Männern ausgeht. Es sind vor allem Altersgenossen mit türkischem oder arabischen Migrationshintergrund, die ihn antisemitisch beleidigen und drangsalieren. Hinzu kommt, dass Lehrer und später auch Künstlerkollegen wegschauen, abwiegeln, den Antisemitismus nicht ernst nehmen.
Neben dieser persönlichen Erfahrung von Antisemitismus sind es aber besonders die letzten Kapitel, in denen es um den Antisemitismus in der Rapszene geht, die gerade für Menschen außerhalb des Rapgeschehens hilfreich sind. Ben Salomo zeigt anhand einer Textexegese von Kollegahs Song „Apokalypse“ auf, warum ein Rapper wie Kollegah ein gefährlicher antisemitischer Verschwörungstheoretiker ist.
Er schließt sein Buch mit der klaren Forderung an die Gesellschaft und die Rapszene, endlich den Antisemitismus als Problem und Gefahr zu erkennen und zu bekämpfen.
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