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Strategische Potenziale

WOHNEN „CoHousing“-Projekte sind zunehmend beliebt. Unter aktiver Beteiligung der künftigen Bewohner geplant, geht es dabei immer auch um Gemeinschaftliches

CoHousing als Basis für einen sozial und ökologisch nachhaltigen Städtebau

VON THOMAS KNORR-SIEDOW UND CHRISTIANE DROSTE

Selbst organisiertes, gemeinschaftliches und nachhaltiges Wohnen, integrativ, nicht spekulativ und offen gegenüber der Nachbarschaft. Das sind umfangreiche Anforderungen an gemeinsames Wohnen, denen sich diejenigen stellen, die sich der wachsenden „CoHousing“-Gemeinde zugehörig fühlen.

Der Begriff CoHousing meint ein großes Spektrum innovativer Wohnprojekte, die unter aktiver Beteiligung der künftigen Bewohner geplant und entwickelt werden und bei denen die nachhaltige Gemeinschaftsbildung im Mittelpunkt steht.

Die Bandbreite ist dabei groß. Landkommunen haben sich zu ökologischen Lebens- und Produktionszentren entwickelt. In Städten gibt es Projekte, deren zentrales Interesse die Wohnraumbeschaffung ist, während anderen der Mehrwert gemeinschaftsorientierten Lebens zentral ist. In unterschiedlichen Konstellationen finden sich die Berücksichtigung einer alternden Gesellschaft, die Einbeziehung Alleinstehender mit oder ohne Kinder, Raum für gleichgeschlechtliche Lebensweisen.

Zugleich wird deutlich, dass die Liberalisierung der Wohnungsmärkte in den Ländern der EU und die Verringerung der öffentlichen Investitionen in den sozialen Wohnungsbau dazu beiträgt, dass InteressentInnen ausschließlich auf den Wohneigentum am „freien“ Markt angewiesen sind – egal, unter welcher sozialen Zielstellung sie ihre Vorhaben angehen.

Deshalb spielen sich die gegenwärtig umgesetzten Projekte meist in den Mittelschichten ab, Menschen mit Migrationshintergrund oder aus unteren Eigentumsgruppen sind selten vertreten, woraus sich in Berlin der nicht zu überhörende Vorwurf ableitet, solche Projekte seien Teil der Gentrifizierung attraktiver Innenstadtlagen. Die Potenziale werden im einzelnen Wohnprojekt deutlich – und das in vielen Ländern Europas. Im erst vor wenigen Jahren fertiggestellten Mehrgenerationenhaus in der Berliner Schönholzer Straße kann man zum Beispiel hinter der eigenen Wohnungstür leben oder aber sich nachbarschaftlich bei der Betreuung der Kinder unterstützen.

In Basel hat sich derweil ausgehend von einem alternativen Hausprojekt in der Bärenfelserstraße 34 eine gesamte Straße aus der Vernachlässigung und dem Leerstand befreit. Hier spielen Kinder, treffen sich ältere Semester und Jugendliche auf dem „Bänkli“ und leben ohne Zwang nachbarschaftliche Nähe.

1987 fand sich in Stockholm währenddessen eine Gruppe von 50- bis 60-Jährigen zum Projekt Färdknäppen in Stockholm zusammen, um herauszufinden wie Menschen mittleren Alters und Ältere sich gegenseitig unterstützen können. Dieses Projekt wurde in Kooperation mit einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft so errichtet, dass die Hinzuziehenden keine Baukosten übernehmen mussten, sondern von Anfang an zur Miete wohnen konnten.

L’Espoir 1 in Brüssel bietet dagegen 14 Familien mit Migrationshintergrund kostengünstigen Wohnraum im Neubau und soziale Unterstützungseinrichtungen. Die Besonderheit dieses Projekts ist, dass auch Menschen ärmerer Bevölkerungsgruppen Eigentum schaffen können, wenn sie koordiniert die staatliche Unterstützungen in Anspruch nehmen.

Bisher werden die sozial-und wohnungspolitischen Chancen, die sich mit „CoHousing“ verbinden lassen, nur in wenigen europäischen Städten ernsthaft wahrgenommen. Berlin bietet dabei Unterstützung für der Planung von und die Kommunikation über gemeinschaftliche Wohnprojekte.

Doch verwirklichte Beispiele größeren Stils, in denen gemeinschaftliches Planen und Wohnen, meist verbunden mit Arbeiten und Kultur zur Basis wohnungspolitischer Strategien geworden sind, sind in Berlin bisher selten. Dabei machen anderswo Projekte wie das bekannte Mühlenviertel in Tübingen die strategischen Potenziale des CoHousing deutlich. Hier haben 250 neue Wohnungen dazu beigetragen, dass aus einem heruntergekommenen Kasernengelände ein lebendiges, ökologisches und sozial inklusives Wohngebiet wurde. Dies war nur möglich durch die intelligente Verknüpfung bürgerschaftlichen Engagements, öffentlicher und privater Finanzierungen und politischer Unterstützung durch den Stadtrat.

Angesichts europaweiter Erfahrungen damit, was CoHousing für die Stadt leisten kann, wäre es nur angemessen, dass auch Berlin sich auf die Wurzeln wohnungspolitischer Selbsthilfe besinnt und sich CoHousing als Basis für einen sozial und ökologisch nachhaltigen Städtebau bewusst auf seine Fahnen schreibt.

■ Das Buch „CoHousing Cultures –Handbuch für selbst organisiertes, gemeinschaftliches und nachhaltiges Wohnen“ wird bei den Experimentdays vorgestellt

■ Thomas Knorr-Siedow (65) und Christiane Droste (49) sind Stadt- und Wohnungsforscher und beschäftigen sich mit sozialer Stadtentwicklung in Europa

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