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Unterfinanzierte Suchtberatung

Seit 2007 stagnieren die reinen Zuwendungen für die Suchtberatungsstellen in Bremen. Die Ausgaben für Personal sind seit vier Jahren rückläufig, gleichzeitig steigen die Kosten

Kommunale Zuschüsse

Die Zuschüsse für die kommunalen Suchtberatungsstellen „Comeback“ und „Ambulante Suchthilfe“ lagen 2017 bei 1.911.735 Euro.

Im Jahr 2015 betrugen die Zuschüsse 1.916.397 Euro, 2016 waren es 1.913.426 Euro.

Die Personalausgaben in den Beratungsstellen sind von 2015 bis 2017 um knapp 83.000 Euro zurückgegangen.

Von Stefan Simon

Die Bremer Suchtberatungsstellen fordern, dass ihre Unterfinanzierung endlich beendet wird. „Die reinen Zuwendungen stagnieren seit zwölf Jahren“, klagt die Vorsitzende der Bremischen Landesstelle für Suchtfragen (Brels), Eva Carneiro Alves. Dagegen seien die Kosten für Personal, Miete, Projekte oder die digitale Infrastruktur ständig gestiegen. „Die Suchtberatung stößt an ihre Grenzen“, sagt Alves.

Die Suchtberatungsstellen sind die ersten Anlaufstationen für suchtkranke Menschen und deren Angehörige: Sie betreuen ihre Klient*innen und vermitteln sie in weiterführende Behandlungen. Mit ihrer Brückenfunktion zum Gesundheitssystem trügen sie nachweislich dazu bei, „die Verelendung der Klient*innen zu verhindern und so die Folgekosten der Suchterkrankung zu verringern“, heißt es im „Notruf Suchtberatung“ der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, deren Mitgliedsverbänden sowie im Fachverband Sucht.

Ihr Notruf zeigt, dass die kommunalen Suchtberatungsstellen in Bremen nicht allein sind mit ihren Problemen. Bundesweit litten die Beratungsstellen an einer „gravierenden Unterfinanzierung“, heißt es in dem Notruf. In Bremen würde Alves gern eher mehr als weniger für die Betroffenen tun.

Für Cannabis­abhängige gebe es Frühinterventionsprogramme, die dazu dienten, rechtzeitig eine mögliche Sucht zu bekämpfen, damit die Betroffenen weiter ihr Leben führen könnten und im Job blieben. „Für die Bereiche Alkohol haben wir solche Programme nicht. Dafür fehlen uns einfach die Mittel“, sagt die Vorsitzende der Landesstelle für Suchtberatung.

In Bremen gibt es neben den beiden geförderten Drogenhilfeträgern „Ambulante Suchthilfe“ und „Comeback“ auch Anlaufstellen speziell für junge Menschen: Bei „(Esc)ape“ finden Jugendliche seit Sommer letzten Jahres allerdings keine Ansprechpartner*in mehr. Die Stelle sei seit November unbesetzt, sagt Alves. „Das ist dramatisch.“ (Esc)ape erhalte keine Zuwendungen aus der kommunalen Suchthilfe, sei jedoch im internen Stellenplan des Gesundheitsamtes berücksichtigt, sagt Christina Selzer, Sprecherin der Gesundheitssenatorin.

Noch härter hat es die Abteilung Suchtprävention beim Landesinstitut für Schule (LIS) getroffen. Dort seien drei Stellen bald unbesetzt, weil die Mitarbeiter*innen in Rente gehen, sagt Alves. Beide Stellen würden auch nicht neu besetzt, weil gespart werde.

Auch bei der Caritas können sich suchtkranke Menschen und ihre Angehörigen beraten lassen. Die Caritas finanziert ihre Beratungsstelle jedoch selbst. Für viele Menschen sind die Beratungsstellen Türöffner. „Dafür muss die Suchtberatung niedrigschwellige Zugänge ermöglichen wie eine offene Sprechstunde“, sagt Melanie Borgmann, Leiterin der Fachambulanz Suchtprävention und Rehabilitation bei der Caritas.

Suchtberatungsstellen böten den Betroffenen einen Schutzraum und eine bedarfsgerechte Begleitung und Beratung. Doch für viele sei es schwer, den ersten Schritt zu wagen, denn eine Suchtkrankheit gehe auch einher mit Scham und Schuldgefühlen.

Wie wichtig die Suchtberatung allgemein ist, zeigt sich auch an der Anzahl der Drogentoten in Bremen. In einem Bericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler, geht hervor, dass in Bremen die Zahl der Drogentoten im vergangenen Jahr um drei auf 22 Tote gestiegen ist.

„Selbstverständlich ist jeder Drogentote zu viel, allerdings stellen wir fest, dass in den vergangenen zehn Jahren die Zahl der Drogentoten in Bremen kontinuierlich abgenommen hat“, sagt Behördensprecherin Selzer. Seitdem sei die Zahl relativ konstant. „Dazu haben die Angebote der Suchtberatung beigetragen“, sagt Selzer.

Die Baustelle sei groß, die Situation der Beratungsstellen prekär, sagt Alves. Sie fordert, dass die öffentlichen Zuwendungen an die Kostensteigerungen angepasst werden. „Am besten noch zum nächsten Doppelhaushalt 2020/2021“, sagt sie. Mit der Forderung ist sie schon einmal angetreten. Das Gesundheitsamt hatte sich beim letzten Doppelhaushalt für einen Kostenausgleich eingesetzt. Doch dieser wurde abgelehnt.

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