Käfige statt Bodenhaltung: Eier mit falschem Etikett
Ein Wachtel-Halter in Goldenstedt gab seine Eier als Bodenhaltung aus, dabei sitzen die Vögel in Käfigen. Der Betrieb hatte dafür ein Zertifikat vom Veterinäramt.
Mit heimlichen Kameras filmten die TierschützerInnen in allen drei Betrieben, stellten Strafanzeigen und meldeten die Fälle den zuständigen Veterinärämtern. In dem niedersächsischen Betrieb in Goldenstedt leben rund 10.000 Wachteln in mehreren Käfigen, die Fenster des dunklen Stalls sind abgeklebt, die Tiere wirken auf den Aufnahmen verhaltensgestört und haben durch sogenanntes Federpicken kahle Stellen im Federkleid.
Der Betrieb vertreibt die Eier mit der Kennzeichnung Bodenhaltung – etwa an Edeka. Die Aufnahmen zeigen jedoch, dass die Tiere in Käfigen sitzen und nicht frei im Stall herum laufen können.
Das Veterinäramt des Landkreises Vechta hat darin trotzdem offenbar keinen Verstoß gegen das Tierschutzrecht gesehen. Eine Landkreissprecherin sagte, dass nach Auffassung des Veterinäramtes die Haltung tierschutzgerecht sei. Noch in 2018 genehmigte die Behörde die Haltungsform als Bodenhaltung.
Wachteln sind die kleinsten Hühnervögel. Bereits im Alter von nur zwei Monaten sind sie legebereit.
Die Käfighaltung in Mastbetrieben ist in der Nutztierhaltung die Norm. Besser wären für die Tiere geräumige Volieren. In der Natur leben sie auf offenen Feld- und Wiesenflächen.
Als Legewachteln dient meist die sogenannte Japanwachtel, die aufgrund ihres Fleisches und ihrer Eier als Delikatesse gilt.
Wachteln kommen in ganz Europa sowie in Teilen Asiens und Afrikas vor. Als natürliches Futter dienen ihnen Insekten und Samen.
Aber das ist bei Wachteln eigentlich gar nicht möglich. Es existieren keine gesetzlichen Vorgaben für die Haltung von Wachteln in Deutschland. Die HalterInnen müssen sich nach dem allgemeinen Tierschutzgesetz richten.
Trotzdem bescheinigten die Veterinäre dem Betrieb aus Goldenstedt fälschlicherweise Bodenhaltung und gaben ein Zertifikat heraus.
Eine solche Kennzeichnung sei auch lebensmittelrechtlich gar nicht zulässig, sagt Natascha Manski, Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Es gebe faktisch keine Vermarktungsnormen für Wachtel-, nur für Hühnereier.
Ebenso qualvoll sind die Zustände für die Wachteln in dem schleswig-holsteinischen Betrieb in Lübeck: Hier leben etwa 2.000 Vögel zusammengefercht in einer 20 Jahre alten Käfiganlage, mit 15 Tieren pro Käfig. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, dass sie keinen Platz haben, um sich aufzurichten und teilweise verletzt sind. Auch diese Käfiganlage scheint nichts mit Bodenhaltung gemein zu haben, obwohl es auf den Verpackungen steht und der Betreiber trickst.
In den Käfigen liegen Papp-unterlagen, damit die Tiere nicht direkt auf dem Gitter stehen. Der Betrieb hatte laut eigener Aussage bereits Probleme mit dem Veterinäramt.
Edeka, der Eier von beiden Betrieben gekauft hat, scheint die Materialien der TierschützerInnen ernst zu nehmen und hat bereits reagiert. Die Supermarktkette nahm die Eier umgehend aus dem Sortiment – vorerst jedoch nur vorläufig.
Keine Rechtsvorgaben für Wachtelhaltung
Das Bundeslandwirtschaftsministerium plant bisher nicht, an der Kennzeichnung der Wachteleier etwas zu verändern. Ein Erlass mit spezifischen Rechtsvorgaben für die Wachtelhaltung sei nicht geplant, antwortete das Ministerium dem ARD Magazin Report Mainz.
Gegenüber der taz erklärte die Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums Manski, sie sehe die Verantwortung bei den Lebensmittelhändlern, denn die korrekte Kennzeichnung der Eier liege bei diesen. Wenn diese Bodenhaltung auf ihre Produkte schrieben, obwohl dies rechtlich für Lebensmittel gar nicht vorgesehen sei, „erfülle das den Tatbestand der Irreführung“.
Als Reaktion auf die Kritik der Tierschützer leitete das Ministerium zusammen mit dem Landkreis Kontrollen im Betrieb in Vechta ein. Wie das zuständige Veterinäramt den betroffenen Betrieben eine Genehmigung für die Bodenhaltung ohne gesetzliche Vorgaben geben kann, ist Teil dieser Prüfung. Wie das passiert sei, könne sie sich bisher nicht erklären, so Manski.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen