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AKP sieht Gülen hinter Wahlfiasko

Erdoğans Partei schiebt die Schuld für die Niederlage in der Kommunalwahl auf die Gülen-Sekte. Der Forderung nach einer Neuauszählung aller Stimmen in Istanbul erteilt der Wahlrat aber eine Absage

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Auch zehn Tage nach der Kommunalwahl in der Türkei weigern sich die Regierungspartei AKP und ihr Vorsitzender Recep Tayyip Erdoğan, ihre Wahlniederlage in Istanbul anzuerkennen. Mit immer neuen Drohungen und Verzögerungen versucht Erdoğan, das demokratisch und rechtlich Unvermeidbare hinauszuzögern und Druck auf den Hohen Wahlrat auszuüben, der das Endergebnis der Wahl noch verkünden muss.

Nachdem die von der AKP beanstandeten angeblichen Unregelmäßigkeiten – zum Beispiel eine hohe Zahl ungültiger Stimmen – zu einer Neuauszählung in vielen Istanbuler Wahlbezirken geführt hatte, lag der Bürgermeister-Kandidat der Oppositionspartei CHP, Ekrem İmamoğlu, nach wie vor mit 14.000 Stimmen in Führung. Erdoğan verkündete daraufhin, es sei „unmöglich, dass sich jemand in einer Stadt mit zehn Millionen Wählern mit einem Vorsprung von nur 13.000 oder 14.000 Stimmen zum Sieger erklärt“, und forderte, sämtliche Stimmen in Istanbul neu auszuzählen.

Diese Forderung wurde vom Hohen Wahlrat in Ankara in der Nacht auf Dienstag aber abgelehnt. Daraufhin behauptete Erdoğan, die Wahl sei von „organisierten Kriminellen“ manipuliert worden. Das Innenministerium schickte Sonderpolizisten nach Istanbul, die die Wahlregister überprüfen sollten und dafür am Dienstag Hunderte Wohnungen im Bezirk Büyükçekmece durchsuchten. Angeblich soll die Gülen-Sekte, die in der Türkei für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich gemacht wird, erneut im Spiel sein und die Wahlregister manipuliert haben.

Am Dienstagmittag dann trat AKP-Vizechef Ali İhsan Yavuz vor die Presse und behauptete, es gebe wegen der Gülen-Intervention eine „außerordentliche Situation“. Die Wahl in Istanbul müsse für ungültig erklärt werden, was eine Neuwahl in der Stadt erforderlich mache.

Auch die Entscheidung über diese neue Forderung müsste der Hohe Wahlrat treffen, auf dem nun eine außerordentliche Belastung ruht. Das Gremium besteht aus elf hohen Richtern und fünf Vertretern der beteiligten Parteien. Die Richter sind allesamt von der AKP ernannt worden. Bislang hat sich der vorsitzende Richter Sadi Güven jedoch allem Druck widersetzt. Er erklärte am Dienstagnachmittag nur, man gehe weiter allen Beschwerden nach.

Eine Niederlage in Istanbul wäre für Erdoğan und die AKP nicht nur ein politisches, sondern auch ein materielles Problem. Vor allen anderen Städten in der Türkei bietet Istanbul die Möglichkeit, Parteimitglieder und Anhänger des Präsidenten zu versorgen und der mit Erdoğan verbündeten Bauindustrie Großaufträge zuzuschanzen. 60.000 AKP-Anhänger sollen in den vergangenen Jahren in Istanbul außerhalb regulärer Stellen mit Geld, Auto und Fahrer versorgt worden sein, behauptet die Opposition.

Unterdessen trat in der türkischen Hauptstadt Ankara am Montag der Sieger der Opposition, Mansur Yavas von der CHP, sein Amt an. Auch dort hatte die AKP nachzählen lassen, doch der Unterschied von 125.000 Stimmen blieb zu groß. In Izmir, Adana, Mersin und Antalya erhielten ebenfalls die Sieger der Opposition ihre Ernennungsurkunden. Damit hat die AKP von den zehn größten Städten des Landes sechs bereits an die Opposition verloren, während um Istanbul noch gekämpft wird.

Nur die Städte Konya, Bursa und Gaziantep werden weiterhin von der AKP kontrolliert. Die Mehrheit der urbanen Bevölkerung der Türkei hat damit eindeutig gegen die AKP von Staatspräsident Erdoğan gestimmt.

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