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Von der Muse geküsst

Seit 20 Jahren feiert das „Viertel“ sein „Fest“, diesmal aber wird – hoffentlich –alles anders: Das Kulturaufkommen soll dem Bierkonsum Paroli bieten, sogar „Sitzzonen“ sind geplant und eine „Plaza Nirwana“. Und das inmitten von acht Auftrittsflächen

„Das quirlige kulturelle Leben des Stadtteils fand sich von dominierender Gastronomie eher an den Rand gedrängt.“ Beim diesjährigen Viertelfest aber soll „der Spagat zwischen gehobener Massenunterhaltung und der Initiierung von künstlerischen Projekten im Viertel“ geschafft werden, sagen die neuen MacherInnen. Programmplaner ist Hans König von der Schwankhalle, als eine Art August-Intendant soll er die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen integrieren. Immerhin kann er auf 53 Programmpunkte auf drei Bühnen und fünf weiteren Spielflächen verweisen (nachzulesen auf der graphisch hoch ambitionierten Homepage (www.viertelfest-bremen).

Der dafür zur Verfügung stehende Etat beläuft sich auf rund 200.000 Euro, die Hälfte davon sind öffentliche Mittel, die wiederum zu 80 Prozent aus dem Kulturhauptstadt-Fonds kommen. Die sollen dem Fest zu neuen Qualitäten verhelfen. Jahrelang wurde über den Bierkonsum gestritten („Saufen mit Niveau – nur mit welchem?“), über Müllablagerungen und die Krawallträchtigkeit des Festes. Es gab Zeiten, in denen der Innensenator ein Viertelfest genehmigte, das weder AnwohnerInnen noch Gewerbetreibende wollten. Auch der Beirat Mitte hatte wiederholt eine stärkere Familienorientierung gefordert – woraufhin die Veranstaltung 2001 gänzlich ausfiel, der Betreiber sprang ab. Der erste Neuorientierungs-Anlauf vor drei Jahren: Die Zusammenlegung mit „La Strada“. Woraufhin „La Strada“-Freunde die „Vermassung“ des Straßenzirkus-Festivals beklagten.

Wie die Weser mäandert der Streit ums Sommerfest am Viertel entlang. Nachdem 2002 das „Viertel“ vor dem „FEST“ gecancelt wurde, betont Ortsamtsleiter Robert Bücking nun, wie „viertelgerecht“ das aktuelle Programm sei. In der Tat treten fast 20 hiesige Gruppen auf, es gibt sogar (Samstag, 17 Uhr, Ulrichsplatz) ein eigenes Programm namens „Viertelhelden auf dem Dorfplatz“ – unter anderem mit Shanty-Shouter Jonny Glut und den „Stehpissern“, die ihre countryinfizierte Rock’n’Roll-Karriere vor 23 Jahren in einer Garage am Osterdeich begannen.

Die „Local Heroes“ der örtlichen Akrobatenszene sollen ebenfalls den Ulrichsplatz bevölkern. Und wem das „Bremer Immigrantenorchester“, gegründet im Rahmen der Kulturhauptstadtbewerbung, bei seiner Premiere im April in der „Glocke“ zu verhalten war, kann nun erleben, wie sich die 12 Musiker während ihrer ersten Tournee entwickelt haben: Sonntag,17.30 Uhr auf dem Goetheplatz. Die Fläche zwischen Sielwalleck und Bernhardstraße verwandelt sich Samstag Abend in eine „Plaza Nirwana“.

Auch das nicht ganz so kuschelige Steintor, „die Stadt im Dorf“, wie verblichene Aufkleber an veranzten Hauseingängen immer noch stolz verkünden, wird künstlerisch gewürdigt. Bis hin zum Ziegenmarkt soll alles betanzt werden, Samstag um 23 Uhr tritt dort mit „Barracuda“ die schnellste Band des Balkans auf, bekannt aus „Gegen die Wand“.

Die dahinter stehende Idee: Die Bremer Aktiven müssen sich im „Line Up“ der Großen beweisen. Schließlich kommen auch die in Poona gegründeten „Dissidenten“, die Münchener „Bananafishbones“ oder auch „Flying Pickets“ aus den goldenen Achtzigern (siehe unten). Vor etlichen Bühnen gibt es diesmal sogar Sitzgelegenheiten. Hans König versichert: „Wir möchten eine Dramaturgie schaffen, in der man die Kunst auch genießen kann.“ HB

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