Kommentar Urheberrechtsreform: Die Kreativen verlieren
Artikel 16 der Urheberrechtsreform ist für Urheber:innen die größte Ungerechtigkeit. Obwohl es Entlohnung fairer machen soll, profitieren Verlage.
D ie Abstimmung zur Urheberrechtsreform ist durch. Im Europäischen Parlament wurde am Dienstag für die Reform gestimmt, und das nicht gerade mit knapper Mehrheit. Für Kreative ist der nun verabschiedete Artikel 16 (der umnummerierte Artikel 12) von Nachteil, weil er große Verlage an der Gewinnausschüttung beteiligt.
Mit Artikel 16 werde sich „die Situation von Urhebern verschlechtern“, prognostiziert der Netzexperte und „Technikphilosoph“ Enno Park in einem Blogartikel. Die Urheber:innen profitieren von der Gesetzesreform nicht, sagt auch der Berufsverband der freien Journalist:innen. Deshalb war der Verband gegen das Gesetz.
Zeit-Feuilletonist Lars Weisbrod hat das Dilemma um das liebe Geld verstanden: „Wo kann ich jetzt dafür abstimmen, dass Google mir Geld geben muss?“, twitterte der Journalist vor der Abstimmung. Abgestimmt haben andere, und eine gute Antwort bekam Weisbrod nicht.
Artikel 16 ist ein Pflänzchen, das im Schatten zwischen Urheber:innen, Nutzer:innen und Verlagen gedeiht. Der EU-Gesetzesentwurf garantiert Verlagen, die einen Vertrag mit den Urheber:innen abgeschlossen haben, einen Teil der Einnahmen. Dieses Geld sammeln verschiedene Verwertungsgesellschaften ein. Wie das in Zukunft gerecht passieren könnte, ist ein Kernpunkt der Debatten.
Kreative Geringverdiener
In Deutschland hatte die VG Wort für die Nutzung von Werken pauschal die Hälfte ihrer Einnahmen an Verlage ausgeschüttet. Davon profitierten vor allem die großen Vermarkter von Inhalten, nicht der Kleinstverlag für Kunstwissenschaft. Bis der Bundesgerichtshof 2016 einschritt und das auf nationaler Ebene verbot: Das Geld soll direkt an die Urheber:innen gehen. Seitdem bekommen Schreibende alle Tantiemen, können Verlage aber freiwillig beteiligen. Diese Regelung wird mit der Reform zurückgedreht.
Zwar sind alle Parteien von links bis rechts dafür, geringverdienenden Schreiber:innen und Musiker:innen ihr Geld zu geben und das Geschäftsmodell der mächtigen Content-Verwerter nicht weiter hinzunehmen. Was im Netz passiere, sei „Kunstraub unerhöhten Maßes!“, polterte der rechtsliberale Politiker Jens Rhode (Dänemark) in der heutigen EU-Plenartagung zur Abstimmung.
Aber obwohl Internet-Plattformen für urheberrechtlich geschütztes Material ab jetzt haften – es sei denn, sie schließen Lizenzen mit Rechteinhaber:innen ab, damit diese an ihre Vergütung kommen – ist das kein Gewinn für Kreative. Durch Artikel 16 profitieren nämlich die großen Content-Vermarkter gegenüber kleinen Verlagen. Die Urheber:innen verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind