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Frauen auf dem ArbeitsmarktFührungsfrauen müssen sich beeilen

Eine aktuelle Untersuchung zeigt: Frauen machen früher Karriere als Männer, dafür aber seltener. Je älter sie werden, desto schlechter die Chancen.

Rasch noch Karriere machen, bevor die Kinder kommen Foto: Paul Langrock / Agentur Zenit

Frauen, die Karriere machen wollen, müssen sich beeilen: Im Schnitt erreichen Frauen etwa eineinhalb Jahre früher als ihre männlichen Kollegen eine Führungsposition und sind auch tendenziell jünger. Aber: Je älter sie werden, desto geringer ist ihre Chance auf beruflichen Aufstieg.

Das legt eine zum Frauentag publizierte Untersuchung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Zusammenarbeit mit dem Online-Netzwerk LinkedIn offen. Basierend auf den NutzerInnendaten von LinkedIn wurden tausende Karrierewege ausgewertet von Frauen und Männern in Deutschland, den USA, Indien, Italien und Norwegen. In all diesen Ländern ist der Anteil weiblicher Führungskräfte deutlich geringer als der Anteil der männlichen Kollegen.

In Deutschland brauchen Frauen durchschnittlich 7,7 Jahre um eine Führungsposition zu erreichen, wohingegen Männer 9,0 Jahre brauchen. Als Grund für das verkürzte Zeitfenster beim beruflichen Aufstieg vermuten die Initiatoren der Studie die Familiengründung. Die Zeit der Mittzwanziger bis Mittdreißiger sei sowohl für die Entwicklung des beruflichen Werdegangs als auch in der Familienplanung eine entscheidende Zeit.

Dieses Zusammenfallen von Kindern und Karriere entpuppt sich für Frauen wiederum als Hindernis. Für jede Frau in Deutschland, die in den ersten zehn Jahren ihrer Karriere eine Führungsposition erreicht hat, zählt die Studie durchschnittlich 3,1 Männer, im zweiten Jahrzehnt sind es bereits 3,8 und ab dem dritten Jahrzehnt 4,2 Männer.

„Unser Report zeigt erschreckend deutlich, wie schwer es für Frauen ist, sich am Arbeitsmarkt durchzusetzen und in Führungspositionen aufzusteigen – nicht nur in Deutschland, sondern überall“, sagt Kristin Keveloh, Managerin bei LinkedIn. „Dass Frauen schneller in Führungspositionen aufsteigen, ist nur ein kleiner Lichtblick in einer weiterhin schlechten Grundsituation, die zeigt, dass wir von Chancengleichheit noch weit entfernt sind.“

Nur noch 209 Jahre bis zur Gleichberechtigung

Die Untersuchung macht auch auf weitere „Gender Gaps“ aufmerksam.Demnach ist jede vierte Frau, die in Deutschland Vollzeit arbeitet, im Niedriglohnsektor tätig. Dem stehen 5 Prozent der Männer (also jeder 20. Mann) entgegen, die zwar Vollzeit arbeiten, aber niedrig entlohnt werden.

Der Bericht schaute sich auch Faktoren wie die unbezahlte „Care-Arbeit“ an. Darunter fällt etwa die Betreuung von Kindern, die Pflege von Eltern oder die Hausarbeit. Frauen übernehmen demnach durchschnittlich viereinhalb Stunden täglich Aufgaben in diesem Bereich, während Männer nur eineinhalb Stunden ihres Tages dafür aufwenden.

International sind mehr als ein Fünftel aller Frauen Vollzeit in diesem Bereich tätig, bleiben also ganztägig zu Hause. Dem stehen lediglich 1,5 Prozent aller Männer gegenüber.

Zwischen 1997 und 2012 sei die Zeit, so die Untersuchung, die Frauen mit Care-Arbeit verbringen, um 15 Minuten am Tag gesunken, während der Aufwand bei den Männern um 8 Minuten gestiegen sei. Der Studie zufolge benötige es weitere 209 Jahre, bis eine ausgeglichene Aufgabenverteilung erreicht wird.

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5 Kommentare

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  • Dass Frauen schneller (oder leichter?) Karriere machen, wenn sie denn wollen, entspricht so ziemlich meinen Beobachtungen im Arbeitsumfeld. Wenn eine will, wird sie rasch gefördert ... zumindest in der Wirtschaft. Im Staatsdienst und in der Verwaltung wird es nicht so deutlich, da ja hier mehr Frauen unterwegs sind.

    Es dann eher die Biologie des Kinderkriegens und was daraus gesellschaftlich (und Privat) gemacht wird, die vom weiteren beruflichen Aufstieg abhalten. Für jedes Kind verliert eine Frau mindestens 3 Jahre ... zumal ja bereits Frühschwangeschaft heutzutage zum Ausstieg aus jeglicher Tätigkeit genutzt werden.

  • Frauen machen schneller Karriere. Das bedeutet, dass sie höhere Chancen haben, Karriere zu machen. Es gibt also ein umgekehrtes Defizit der Chancengleichheit.



    Frauen aber machen seltener Karriere und steigen in der Karriere auch früher wieder aus.



    Das ist die gesellschaftliche Schieflage, die Männer viel stärker in die Richtiung Rackern für die Karriere drängt als Frauen. Die Option "Familie" ist für Männer immer noch keine gleichberechtigte Option. Allzuleicht werden engagierte Väter durch die Mütter entsorgt und das mit gerichtlicher Unterstützung. Die Gerichte reduzieren dann diese Männer auf das Geldverdienen.



    Frauen wollen seltener Karriere machen. Wenn sie sich fürs Karriere machen entscheiden, kommen sie schneller nach oben. Männer wollen häufiger Karriere machen. Das dauert bei ihnen aber auf Grund fehlender Chancengleichheit länger.



    Entweder man akzeptiert, dass Männer und Frauen statistisch (und nicht im Einzelfall!) andere Prioritäten haben. Oder aber man ändert das nach wie vor recht einseitige Rollenbild in Bezug auf Berufs und Familie.



    Aus diesen Daten zu schließen, dass sich Frauen "besonders beeilen" müssten, ist abwegig. Das liegt aber daran, dass alle solche Daten scheinbar als Benachteiligung von Frauen interpretiert werden müssen.

  • Ganz nebenbei, Führungsfrauen gefallen mir ebenso wenig wie Herrenreiter. Kapitalismus ist in Frauenhand so scheiße wie in Männerhand. Frau sein ist übrigens kein positiver Selbstwert.

  • Ich bringe frohe Kunde für die Autorin des Artikels: Bis zur Gleichberechtigung sind es noch 0 Jahre. Im ernst: Lernt endlich den Unterschied zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung.

    • @Januß:

      Mein Eindruck ist, dass das Wort Gleichstellung in letzter Zeit gerne anstatt Gleichberechtigung im Diskurs genutzt wird. Die meisten Empfänger wissen gar nicht, dass Gleichstellung im Sizialrecht (da kommt der Begriff her) keine Gleichberechtigung sondern eine Bevorzuguung und Hochstufung bedeutet.