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Mosaikstein auf Schienen

Für eine Verkehrswende weg vom Auto fehlen der Stadt wichtige Querverbindungen. Umweltverbände fordern die Stadtbahn als Ergänzung zur U-Bahn. Grüne bleiben vage

Viele Frauen ziehen eine oberirdische Verbindung der unterirdischen vor

Von Gernot Knödler und Kaija Kutter

Wenn am nächsten Freitag Schüler wieder für Klimaschutz streiken, soll es ums Thema Verkehr gehen. Motto: „Verkehrswende statt Welten­ende“. Doch hier kommt Hamburg, wo Schüler trotz der Ferien eine Demo planen, kaum voran. Zwar plant Rot-Grün die neue U5 und die längere U4, doch diese Pläne reichen nicht. Deshalb diskutiert die Stadt wieder über die Straßenbahn.

Den Anfang machte Umweltpolitiker Stephan Jersch in der taz. Angesichts von Protesten gegen den Bau einer Kurz-U-Bahn in Horn sagte er, in dicht besiedelten Gebieten sei eben „die Straßenbahn die bessere Alternative“. Am Dienstag sagte BUND-Chef Manfred Braasch im Abendblatt, immer mehr Menschen seien bereit, auf das Auto zu verzichten. „Wir brauchen über kurz oder lang in Hamburg eine Stadtbahn, und zwar zusätzlich zur U5.“ Eine Leserumfrage ergab: 60 Prozent sehen das so.

An der Stadtbahn hatten sich die Grünen einst die Zähne ausgebissen. Der damalige SPD-Landeschef Olaf Scholz machte es 2014 zur Bedingung für eine Koalition, dass die Öko-Partei auf ihr Herzensprojekt verzichtet. Doch jetzt sind die Grünen im Aufwind, liegen in Umfragen bei 22 Prozent. Und Scholz regiert Hamburg nicht mehr. Wie stehen die Grünen heute zur Stadtbahn? „Es macht keinen Sinn, die Uhr jetzt wieder ein Jahrzehnt zurückzudrehen“, sagt Katharina Fegebank, die grüne Spitzenkandidatin, im taz-Interview. Auch die Grünen trieben den U-Bahn-Bau nun voran. Niemand müsse erwarten, dass sie jetzt ihre Stadtbahnpläne von 2011 aus der Tasche ziehen. Gleichwohl prüften die Grünen die Stadtbahn als „interessante Option“, wenn es um neue Verkehrsverbindungen in der Stadt gehe. Auch zögen viele Frauen eine oberirdische Verbindung der unterirdischen vor.

Interessant wird, ob die Stadtbahn im Wahlprogramm auftauchen wird. Unter grüner Regierungsbeteiligung gab es schon zwei Anläufe, die Tram wieder einzuführen: Anfang der Nullerjahre und noch mal zehn Jahre später. Als damals die schwarz-grüne Koalition geplatzt war, rührte mit Hochbahn-Chef Günter Elste sogar ein ehemaliger SPD-Politiker die Trommel für die Stadtbahn. Sie sei für Hamburg ökologisch und verkehrspolitisch „unverzichtbar“, sagte Elste im Januar 2011 mit Blick auf den Wahlkampf. In allen Punkten sei die Tram günstiger als Busse.

Damals war das Planverfahren für die erste Trasse von Bramfeld über Steilshoop, City Nord, Stadtpark und Winterhuder Markt zum U-Bahnhof Kellinghusenstraße voll im Gang. Die Strecke sollte pro Kilometer nur ein Viertel so teuer werden wie die U-Bahn 4 in die Hafencity. Den Anwohnern am Winterhuder Markt, die wegen des Baulärms, des Verlustes von Parkplätzen und ausbleibenden Kaufwilligen opponierten, stellte er eine Trassenverlegung in Aussicht. Doch der kurz danach allein regierenden SPD war das Risiko, sich am Volk die Zähne auszubeißen, zu groß.

Vier Jahre später versuchte die Initiative „Pro-Stadtbahn-Hamburg“ den Ball noch mal ins Rollen zu bringen. Unter Federführung eines Verkehrsberaters entwarf sie ein Netz mit 19 Linien und fast 100 Kilometern Länge. Es hätte zwei lange Ost-West-Verbindungen und eine Strecke von Niendorf Markt zum Dammtor enthalten. Diese Strecke entspricht der heutigen Buslinie 5, die später Teil der Busbeschleunigung der SPD wurde. „Das war die letzte Trasse der 1978 eingestellten Straßenbahn“, erinnert Klaus Tüpker von Pro-Stadtbahn. „Es nützt nichts, mit überfüllten Bussen durch die Gegend zu fahren“, sagt Tüpker. Nur wenn sie mit Bussen und Bahnen schneller und komfortabel ans Ziel kämen, ließen sich Autofahrer zum Umsteigen bewegen. Die Stadtbahn sei der fehlende Mosaikstein zwischen Schnellbahn und Bussen.

Der SPD wirft er mangelnde Beharrlichkeit und ideologische Beschränktheit vor. Eine Tram vernichte mitnichten Straßenraum, sondern schaffe Platz, wenn Autofahrer umstiegen. Und auch dort, wo sie ihren Gleiskörper aus Platzgründen auf der Fahrbahn haben müsse, sei das kein Problem: Mit moderner Informationstechnik könne sie im Verkehr mitschwimmen.

Ideen, wie und wo die Stadtbahn gebaut wird, gibt es mehrere. Die Linke Verkehrspolitikerin Heike Sudmann könnte sich eine Querung entlang des Ring 3 von Poppenbüttel nach Blankenese vorstellen. Der Nabu könnte sich gar eine Strecke auf dem inneren Ring 2 vorstellen, wenn eines Tages wegen des autonomem Fahrens weniger PKW auf der Straße sind. Manfred Braasch könnte eine Querverbindung von Altona über Steilshoop bis nach Rahlstedt vorstellen. Solche Verbindungen fehlen auch im Osten der Stadt. Der Verkehrs­senator Michael Westhagemann (parteilos) sollte seiner Behörde „keine Denkverbote“ verordnen, sondern die Stadtbahn wieder „ernsthaft prüfen“, sagt Braasch. Für Heike Sudmann ist das eine Frage der Fairness. Die umweltbewussten Verkehrsteilnehmer sollte man nicht unter die Erde verbannen.

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