american pie: Himmlischer Zion
Zion Williamson wird in den USA geradezu hysterisch als der kommende Basketballstar gefeiert. Beim NBA-Draft Ende Juni ist er die Nr. 1
Er ist einfach zu gut, um wahr zu sein. 2,01 Meter groß, 129 Kilogramm schwer und 18 Jahre alt. Geballte Kraft und trotzdem geschmeidig. Eine Macht unter dem Korb, aber auch in der Lage, einen Dreier zu versenken. Und dann heißt er noch: Zion Williamson. Zion! Für das neue Basketball-Wunderkind muss nicht einmal mehr ein schicker, gut vermarktbarer Spitzname erfunden werden.
Kein Wunder, dass die Manager aller mittelmäßigen bis schlechten NBA-Klubs sich schon auf den kommenden Draft Ende Juni freuen. Noch steht zwar nicht fest, wer sich dann als Erster aus dem Talentpool bedienen darf, das wird sich erst in der NBA-Lotterie am 14. Mai entscheiden. Fest steht aber schon jetzt: Der erste Name, der aufgerufen wird, wird der von Zion Williamson sein.
Vorher muss der Teenager aber noch sein erstes und einziges Jahr als College-Athlet zu Ende bringen. Mit den Duke Blue Devils startet Zion als großer Favorit am Samstag ins NCAA-Turnier, in dem die besten 68 Unversitäts-Mannschaften des Landes ihren Titelträger ermitteln. Die sogenannte „March Madness“, eh schon eines der größten Ereignisse im US-amerikanischen Sportkalender, dürfte dank Zion neue Einschaltrekorde aufstellen.
Denn die Begeisterung um Zion nimmt bisweilen hysterische Züge an. Längst war er auf dem Titel von Sports Illustrated, dem größten Sportmagazin der Welt, und auf dem Cover der Basketballbibel „Slam“ zu sehen. Sowohl die New York Times als auch die Washington Post nannten ihn in seltener Eintracht „Superman“, und der renommierte Atlantic meinte, „das Phänomen Zion wird das Spiel revolutionieren“. Die einen glauben, Zion ist das größte Talent seit LeBron James, andere vergleichen ihn aufgrund seiner noch leicht rundlichem, an ein Riesenbaby erinnernden Physiognomie mit Shaquille O’Neal.
Als sich Williamson am 20. Februar in einem Spiel der Blue Devils ausgerechnet gegen deren Erzrivalen, die North Carolina Tar Heels, nach nur 36 Sekunden verletzte, standen die USA Kopf. Williamson hatte sich das Knie verdreht, als sein linker Schuh bei einem schnellen Richtungswechsel den Geist aufgab. Der demolierte Sneaker in der Größe 47 wuchs sich zur Staatsaffäre aus. Das Modell wurde als mittelgroßes Gesundheitsrisiko eingestuft, und der zugehörige Markenbotschafter, Paul George von den Oklahoma City Thunder, handelte sich einen prächtigen Shitstorm ein. In durchaus seriösen Zeitungen wurden Rechnungen aufgestellt, mit wie vielen Millionen Zion rechnen könnte, wenn er den Hersteller Nike verklagen würde. Tatsächlich fiel der Börsenwert des Sportartikelgiganten am Tag nach dem schlagzeilenträchtigen Unfall um 1,1 Prozent.
Hysterische Sportkommentatoren diskutierten, ob Williamson überhaupt noch einmal für Duke auflaufen sollte, wenn sein Knie rechtzeitig vor dem NCAA-Turnier wieder in Ordnung käme. Doch kaum war die Verletzung nach einem knappen Monat auskuriert, feierte Williamson ein viel beachtetes Comeback. „An all die Leute, die sagten, ich sollte nicht zurückkommen: Ich konnte meine Kumpels und meine Coaches nicht im Stich lassen“, diktierte er der Presse. Nun begannen dieselben Kommentatoren, die ihm eben noch empfohlen hatten, lieber nicht mehr zu spielen, seinen Charakter zu loben. Zion, so ihr Urteil, ist nicht nur hinter dem Geld her, er spielt einfach gern Basketball.
Finanziell kann Williamson tatsächlich nur verlieren. Sollte er sich vor dem Draft verletzen, würden ihm viele Millionen Dollar entgehen. Er ist nur deshalb nicht schon längst Profi, weil die NBA vor gut 15 Jahren eine Altersbegrenzung von 19 Jahren einführte, nachdem immer mehr Talente sich nicht durchsetzten.
Das könnte sich aber nun ändern. Am Tag nach Zions Ausrutscher regte NBA-Boss Adam Silver an, das Alter für Neuprofis auf 18 Jahre zu senken. Sollte das geschehen, dürfte die neue Bestimmung als „The Zion Rule“ in die Basketballhistorie eingehen.
Thomas Winkler
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