piwik no script img

Krasser Kraftakt

In einer dramatischen Partie überzeugen die Frankfurter mit einem beherzten Auftritt, die Hoffenheimer scheitern an ihrer Naivität

Aus FrankfurtTobias Schächter

Es dauerte sehr lange, bis sich die Nerven nach diesem Drama wieder beruhigt hatten. In der sechsten Minute der Nachspielzeit hatte Eintracht Frankfurt dieses wilde Fußballspiel gegen die TSG Hoffenheim doch noch gewonnen, nach einer 1:0-Führung und dem zwischenzeitlichen 1:2-Rückstand schafften die Hessen nach der Gelb-Roten-Karte für den Hoffenheimer Verteidiger Kasim Adams (65.) durch einen irren Schlussspurt doch noch diesen ganz wichtigen Sieg. Sebastien Haller gelang in der 89. Minute der Ausgleich und dem eingewechselten Goncalo Paciencia sogar noch der 3:2-Siegtreffer. Der Frankfurter Jubel kannte ebenso keine Grenzen wie die Enttäuschung der Hoffenheimer.

Rund 45 Minuten nach dem Abpfiff aber unterhielten sich Pechvogel Adams und Frankfurts Trainer Adi Hütter ganz entspannt. Gemeinsam gewannen sie in der vergangenen Saison die Schweizer Meisterschaft mit Young Boys Bern. Am Samstag hat Adams, 23, Trost gut gebrauchen können, denn, so resümierte Hütter zu Recht, der Platzverweis des ghanaischen Nationalspielers beim Stand von 2:1 für Hoffenheim war „der Knackpunkt“ der Partie. In Unterzahl hatten die ersatzgeschwächten Badener der Wucht der Frankfurter kaum etwas entgegenzusetzen.

Adams hat acht Millionen Euro gekostet im Sommer, so viel muss man mittlerweile auch für Entwicklungsspieler bezahlen auf dem irren Transfermarkt. So richtig hat der zur Leichtfertigkeit neigende Athlet die Umstellung in die schnellere Bundesliga noch nicht geschafft. Mit etwas mehr Cleverness hätte er seine fatale Hinausstellung vermeiden können. Aber da geht es ihm wie der ganzen TSG – es fehlt die Reife. Wieder einmal haben es die Hoffenheimer nicht geschafft, einen knappen Vorsprung über die Zeit zu retten. „Wenn ich ehrlich bin, ist das ein sehr bitterer Moment heute“, gab Trainer Julian Nagelsmann zu. Am Montag kassierten die Badener in Leipzig kurz vor Schluss den 1:1-Ausgleich, nun erlebten sie in Frankfurt am Ende ein Debakel.

Der Trainer und sein Team haben nur noch zehn Spiele Zeit, um dieser Saison die Überschrift „Verpasste Chancen“ zu nehmen. Nagelsmann ist nicht bekannt dafür, zu jammern, doch nach diesem Niederschlag wies er doch darauf hin, dass er schon seit drei Wochen nur zwölf gesunde Feldspieler im Training begrüße. In Frankfurt fehlten der TSG acht wichtige Profis verletzt, darunter die ersten drei Innenverteidiger (Vogt, Hübner, Bicakcic). Und während des Spiels humpelten dann auch noch Amiri und Kerem Demirbay (37.) vom Platz. Am Ende spielten Stürmer Joelinton und Debütant Alfons Amade, 19, eine Doppel­sechs im Mittelfeld, für die der Begriff Notlösung ein Euphemismus ist. Allerdings schenken die Hoffenheimer mit ihrer naiven Ader im Verteidigen auch Punkte immer wieder her. Der Platzverweis von Adams in Frankfurt steht für diese Naivität.

„Wer solche Spiele gewinnt, der landet am Ende weit oben“

Hoffenheims Trainer Nagelsmann

Für Adams’Mentor Adi Hütter hingegen ist der Wechsel in die größere Liga bislang eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Er formte eine Mannschaft mit Herz, deren Wucht und Qualität in der Offensive im Zusammenspiel mit den enthusiastischen Fans beeindruckt. Die Eintracht befindet sich nach diesem Kraftakt in Sichtweite zu den Champions-League-Plätzen. TSG-Coach Nagelsmann meinte: „Wer solche Spiele gewinnt, der landet am Ende weit oben.“ Vor dem Europa-League-Achtelfinalspiel am Donnerstag gegen Inter Mailand gab den Frankfurtern dieses Spiel nur noch mehr Selbstvertrauen. Nach der Winterpause bleibt diese Eintracht also weiter unbesiegt und Mittelfeldspieler Mijat Gacinovic meint: „Wenn wir so spielen – und mit diesen Fans – können wir jeden Gegner schlagen.“

Dass sich Adi Hütter für die obszönen Jubelgesten seines Kapitäns Makoto Hasebe beim Siegtreffer entschuldigte, zeigt seinen Charakter. Dieser Österreicher tut der Liga gut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen