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Milchbuden auf BorkumBorkum soll nicht Sylt werden

Die traditionellen Milchbuden auf der ostfriesischen Insel sollen schicker werden. Eine Petition will den alten Charme retten.

Nichts für Laktose-Intolerante: Milchbuden Foto: dpa

Borkum taz | Vor über hundert Jahren sollte der Sommer nach Dickmilch schmecken – wenigstens auf Borkum. Und damit die Strandurlauber genug davon tranken und nicht austrockneten, wurden auf der Nordseeinsel Holzverschläge auf den Strand gesetzt, die legendären Milchbuden.

Heute sind die Bauten von damals zwar Gastro-Containern mit weitläufigen Holz-Wellblech-Plexiglas-Anbauten gewichen, aber alle sind sehr individuell gestaltet. Und verkauft werden dort immer noch Dickmilch und Milchreis, das andere Borkumer Grundnahrungsmittel, aber auch Bockwurst, Krabbensuppe und Kaffee. Acht Stück gibt es, im Frühling werden sie auf- und im Herbst wieder abgebaut. Zurzeit stehen sie also nicht auf dem Sand, aber im Zentrum einer erbittert geführten Debatte.

Denn die Container sollen verschwinden. Die Herrin über den Strand, die Nordseeheilbad Borkum GmbH (NSHB Borkum), will, dass den Inselgästen künftig eine „einheitliche Architektursprache“ begegnet. Es ist zu einer Frage nach dem Charakter der Insel geworden.

Mit dem Ende der Pachtverträge Anfang 2020 schreibt die NSHB, eine hundertprozentige Tochter der Stadt Borkum, die Stellplätze „in 1-a-Lage“ zum ersten Mal neu aus. Verpachtet werden sollen aber nicht wie bisher die Strandabschnitte, sondern die Milchbuden selbst, die die GmbH selbst bauen will. Sie sollen zusammen mit den historischen Gebäuden im Umfeld ein homogenes Gesamtbild bieten, passend zur Strategie Borkum 2030. Das vom Stadtrat beschlossene Konzept soll Borkum zur lebenswertesten und touristisch attraktivsten ostfriesischen Insel machen.

Einfach barfuß reinlatschen

Jörg Kropp, passionierter Borkum-Urlauber aus Essen, dagegen will den individuellen Charme der Milchbuden retten. Er hat auf openpetition.de eine Petition gestartet, die seit November vergangenen Jahres über 2.600 Menschen unterschrieben haben, unter ihnen 354 der etwa 5.200 Einwohner*innen Borkums. Kropp sagt, er wisse, dass die Milchbuden mit der Zeit gehen müssten. Die von der NSHB Borkum angestrebten Veränderungen gingen aber zu weit.

Die Petition

Anlass der Petition Die Milchbuden werden neu verpachtet

Das wollen die Initiatoren Die Strandbuden in ihrer jetzigen Form erhalten

Das wollen sie nicht Dass Borkum wie Sylt wird

„Dann haben wir nachher in den Milchbuden Preise wie an der Promenade. Das Schöne ist doch, dass man da mal eben barfuß reinlatschen kann oder die Kinder mit einem Euro für ein Softeis in der Hand hinschickt.“

Die Unterstützer*innen der Petition sind sich einig – Borkum darf nicht wie Sylt oder Norderney werden. Göran Sell, Geschäftsführer der NSHB, hält Kropp und die Unterzeichner*innen der Petition für schlecht informiert. Es werde kein Schickimicki geben, nur schick, eine wertige Gastronomie, die mit der von Norderney oder Sylt mithalten könne. Barfuß dürfe man immer noch kommen, an den traditionellen Charakter solle angeknüpft werden. Die Milchbuden-Betreiber seien durchaus interessiert an zukunftsfähigen Bauten.

Um überhaupt eine Genehmigung für die Buden von der zuständigen Behörde zu bekommen, sei bereits in den vergangenen Jahren hart verhandelt worden, sagt Sell. Einige der Bauten hätten sich nicht als sturmfest erwiesen, seien vom Strand abgerutscht. Die neuen Container sollen schneller ab- und wiederaufbaubar sein. Und natürlich gebe es in ihnen auch Raum für individuelle Ideen.

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1 Kommentar

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  • Die Versyltung der Nordseeinseln ist ein Problem — jedenfalls für die Gäste, die dort Ruhe und Erholung suchen in Verbindung mit etwas Besonderem. Dieses Besondere aber weicht immer mehr dem Mainstream, mit dem hilflose Marketing-Leute sich an beliebige und austauschbare Urlaubsort angleichen.

    Das, was diese Inseln so einzigartig macht, wird aufs Spiel gesetzt, wenn man alte, gewachsene Strukturen abschafft und durch weit weniger individuelle und liebenswerte „Lösungen“ ersetzt.

    Auch auf der ostfriesischen Insel Juist verspielt man seit Jahren den traditionellen Charme. Ehrwürdige alte Bauten werden abgerissen, statt dessen gesichtslose Neubauten hingesetzt. So wurden bereits ganze Strassenzüge verschandelt und die Insel verliert ihr typisches Gesicht.

    Drei Beispiele:

    1. Das 4-Sterne-Hotel mitten im Ort wirkt wie ein Kuckucksei — wie passend fügte sich dagegen der Vorgängerbau dort ein!



    2. Das weltweite Alleinstellungsmerkmal der Inselbahn hinaus ins Watt wurde zugunsten eines Hafens aufgegeben (ohne Not, wie man heute weiss, denn das Land Niedersachsen hätte die Bahn mit Millionenbeträgen gefördert!). Die Reederei mit ihrer Monopolstellung hat jedoch den Hafenbau durchgedrückt. Und dieser banale Hafen, der das besondere Ankommen auf der Insel durch eine Art Gewerbegebiet ersetzt, stellte sich dann als Fehlplanung heraus: Er verschlickt.



    3. Jetzt will man den historischen Bahnhof abreissen. Er ist das letzte Relikt einer mehr als hundertjährigen, erfolgreichen touristischen Epoche. Die Planung passt zum Trend: Bei aktuellen Quadratmeterpreisen für Wohnungseigentum von 11.000 € wird der neu, grosse Bau eine Goldgrube für die „Investoren“ werden.

    Wie auf Borkum, so auf Juist: Es geht ums kurzfristige Geld, nicht um den Erhalt gewachsener Strukturen und Bauten. Und es wird nicht aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt.

    Das kulturelle und gesellschaftliche Erbe dieser Inseln ist in Gefahr.

    Petition zum Erhalt de Juister Bahnhofs: openpetition.de/juist