piwik no script img

Ostberlin wird immer teurer

Neuer Mietspiegel: Im Ostteil der Stadt steigen die Mieten rasant. Beliebte Viertel wie Prenzlauer Berg und sanierte Plattenbauten ziehen im Preis an. Verband kritisiert den „Vermietermietspiegel“

VON TINA HÜTTL

Die schlechte Botschaft verkündete Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) zusammen mit einer guten, als sie gestern den neuen Berliner Mietspiegel 2005 vorstellte: Innerhalb von gut zwei Jahren stiegen die Mieten im Westen um 3,2 Prozent, im Osten gar um 8,7 Prozent. Durchschnittlich müssen die Berliner nun 4,49 Euro pro Quadratmeter netto kalt berappen. Doch im Vergleich zu Großstädten wie München und Hamburg, fügte Junge-Reyer eiligst hinzu, sei das noch immer sehr preiswert. Auch die Auswahl an verfügbarem Wohnraum sei nach wie vor groß. Mehr zahlen müssen Mieter vor allem für sanierte Altbauwohnungen. Aber auch das Leben in der Platte, freilich nur in der renovierten, wurde teurer. Der Mietpreis in Neubauten sank dagegen.

Rund 170 Seiten umfasst das Mammutwerk, für das die Statistiker von Gewos, einem Institut für Stadt-, Regional- und Wohnungsforschung, Mieter und Vermieter von über 13.000 Haushalte befragt haben. Herausgekommen ist eine Übersicht über die am Stichtag 1. Oktober 2004 ortsüblich gezahlten Mieten in Berlin. Anhand von verschiedenen Wohnungstypen und Merkmalen wie Wohnfläche, Ausstattung und Wohnlage können sich Interessierte in Tabellen informieren, ob sie monatlich zu viel oder zu wenig Geld hinlegen.

Böse Überraschungen dürften allerdings die wenigsten Mieter erleben. Denn die angegebenen Spannweiten um die so genannten Mittelwerte herum hat die Senatsverwaltung großzügig ausgewiesen. So kann die mit 4,86 Euro pro Quadratmeter ermittelte Vergleichsmiete einer 40 bis 60 Quadratmeter großen sanierten Altbauwohnung in einer mittleren Wohnlage zwischen 3,70 Euro und 6,13 Euro schwanken.

Um tatsächlich nur die ortsüblich angemessenen Mieten zu erfassen, hätten die oberen und unteren Extremwerte stärker bereinigt werden müssen, kritisierte deshalb die Berliner Mieter Gemeinschaft (BMG) und verweigerte aus diesem Grund dem Werk ihre Zustimmung. Entgegen den Empfehlungen der Bundesregierung zur Erstellung von Mietspiegeln seien bis zu 80 Prozent (4/5) aller erhobenen Mietwerte als ortsüblich in die Spanne mit eingerechnet worden. Geeigneter sei jedoch eine Spanne von nur 2/3. Damit fielen die Oberwerte geringer aus. „Vermieter hätten es dann deutlich schwerer, Mieterhöhungen mit dem Mietspiegel zu begründen“, sagt Gerhard Eichmann von der Rechtsabteilung der BMG. Mieter, die gegen eine Erhöhung innerhalb der Spanne klagen, haben kaum eine Chance.

Die Preise kräftig erhöht haben in den vergangenen zweieinhalb Jahren vor allem die Vermieter im Osten der Stadt. So wurde auch zum ersten Mal seit Erstellung des Mietspiegels nicht mehr zwischen Wohnungen im Ost- und Westteil der Stadt unterschieden. Der Wohnungsbestand im Osten hat sich hinsichtlich der Ausstattung mit Heizungen, WCs und Bädern bis auf wenige Ausnahmen angeglichen, erklärt die Gewos die statistische Neuheit. Damit auch die Preise. Durchschnittlich um knapp 9 Prozent stiegen die Mieten für Altbauwohnungen in Ostvierteln wie Prenzlauer Berg, aber auch für sanierte Plattenbauten.

In nur einem Fall sei für die gestiegenen Mieten auch eine Aufwertung des Umfelds verantwortlich, ergänzte Junge-Reyer. Die Gegend um den Hackeschen Markt wurde von einer mittleren zur guten Wohnlage hochgestuft. Ansonsten blieb alles beim Alten: Nach wie vor gut lebt sich’s laut Mietspiegel vor allem im Westen der Stadt. Friedrichshain-Kreuzberg dagegen zählt als einfache Wohngegend. Maßgebend sind hier „wenig Grünflächen“, ein „schlechter Gebäudezustand“ und das „überwiegend ungepflegte Straßenbild“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen