piwik no script img

berlinmusikWirbeln und Piepen

Leise, sehr weit in der Ferne zwitschern Vögel. Friedlich sind die Tierstimmen, wenn man beim Zuhören allzu vielen Nebengeräuschen ausgesetzt sein sollte, dürften sie kaum zu vernehmen sein. Und sie stehen sehr für sich. Einerseits, weil sie etwas Selbstverständliches haben, das zugleich gar nicht auf menschliches Publikum angewiesen wäre, mit dieser Aufnahme aber zu Musik wird. Andererseits, weil das Stück „Early Spring“, in dem man ihren Gesang mit anderen Stadtgeräuschen präsentiert bekommt, am Schluss einer Schallplatte mit dem Titel „Pieces for Percussion“ zu hören ist.

Der zwischen Berlin und Halle lebende Schlagzeuger und Komponist Hannes Lingens, von dem das Album stammt, hat diese Field recordings allerdings nicht aus Materialmangel ans Ende seines Albums gestellt, auf dem ansonsten tatsächlich durchgehend Perkussionssoli versammelt sind.

Vielmehr lassen sich diese eingefangenen Naturklänge durchaus als freundlicher Hinweis begreifen, aus dem sich rückblickend besser verstehen lässt, was bis dahin in den anderen Stücken vor sich gegangen ist.

Denn „Pieces for Percussion“ bietet zwar reichlich Perkussion, doch womöglich anders, als man sie sonst oft im Einsatz erlebt. Lautstark auf dem Schlagzeug haut Lingens hier nicht herum. Er verlegt sich auf leise Spielweisen und konzentriert sich zudem auf einzelne Instrumente wie Becken oder Snare.

Diese Instrumente bearbeitet er dann in einer Weise, die eher zu fließenden denn rhythmisch stark akzentuierten Patterns führen. Der Klang der Instrumente ist dabei in der Regel wichtiger als ihre im engeren Sinne „perkussive“ Funktion, die man gern schon mal auf ein mehr oder minder eindeutiges Akzentuieren des Takts reduzieren könnte.

Was endlich wieder zu den Naturklängen zurückführt. Schließlich sind Muster und Texturen, die sich in der Natur finden, eines der Dinge, für die sich Lingens begeistert. Und deren unregelmäßige Strukturen, die aber eben immer noch Strukturen sind, waren für viele dieser Stücke eine Inspiration.

Sogar die scheinbar unberührte Naturklanglandschaft von „Early Spring“ hat Lingens mit ein paar eigenen Instrumentalzusätzen ergänzt. Aber ganz, ganz leise, man hört es kaum. Um die Vögel nicht zu stören. Tim Caspar Boehme

Hannes Lingens: „Pieces for Percussion“ (Umlaut Records, erscheint 1. März)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen