: Das Glück liegt im Eiswasser
Der Film „God Exists, Her Name is Petrunya“ beleuchtet ein orthodoxes Ritual der mazedonischen Kirche – und die patriarchalen Strukturen des Landes (Wettbewerb)
Von Michael Meyns
In den ersten Minuten wirkt Teona Strugar Mitevskas Film „God Exists, Her Name is Petrunya“ wie der diesjährige religionskritische Wettbewerbsbeitrag aus Osteuropa. Oft stammen diese Produktionen aus Polen, in diesem Fall ist der Schauplatz Mazedonien, ein von orthodoxem Glauben geprägtes Land, das einer speziellen Tradition folgt: Am Fest der Heiligen Drei Könige – das dem orthodoxen Julianischen Kalender folgend am 19. Januar stattfindet – wird ein kleines Holzkreuz in ein Gewässer geworfen.
Meist junge Männer springen in die eisigen Fluten und versuchen, das Kreuz zu finden. Wem es gelingt, der hat ein Jahr lang Glück. Frauen dürfen an diesem Ritual nicht teilnehmen, doch im Jahre 2014 fand das Ereignis statt, das Mitevska nun zum Ausgangspunkt ihres Films nimmt: Eine Frau sprang ins Wasser, fand das Kreuz und löste mit diesem Stich ins Herz der konservativen Traditionen einen Skandal aus.
Im Film heißt diese Frau Petrunya – überzeugend gespielt von Laiendarstellerin Zorica Nusheva –, ist 32 Jahre alt, ledig und arbeitslos. Zwar ist sie promovierte Historikerin, doch mit solch einen Metier hat sie kaum eine Chance auf eine Anstellung. Zumal die Strukturen der Gesellschaft von Männern geprägt sind, die sich ihrer Macht sehr bewusst sind.
Bei einem Vorstellungsgespräch empfängt der Chef einer Fabrik Petrunya in einem Glaskasten, inmitten von Dutzenden Angestellten. Und auch in den Institutionen des Staates wäscht eine Männerhand die andere: Der Chef der örtlichen Polizei trinkt mit dem Pfarrer Schnaps, beide sind sich einig, dass das in ihren Augen ungebührliche Verhalten Petrunyas vor allem ein Ärgernis ist, nicht mehr.
Doch so leicht macht es Petrunya den Männern nicht, sie mag zwar eine Frau sein – dumm ist sie deshalb noch lange nicht. Ruhig verteidigt sie ihre Position, ihr Recht auf das Kreuz, das ihr gar nicht aus religiösen Gründen wichtig ist. Vor allem ist es ein Symbol für das Versprechen auf Glück; Glück, das Petrunya als Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft bislang kaum vergönnt war.
Einfach macht es sich auch Regisseurin Mitevska nicht. Statt einem grotesken, sarkastischen Ton zu folgen, der kein gutes Haar an der Kirche und dem Patriarchat lässt, beschreibt sie differenziert und ambivalent eine Gesellschaft, die noch keinen rechten Weg gefunden hat, ihre langen Tradition mit der Moderne zu versöhnen und deren Staus quo nun von einer ebenso mutigen wie willensstarken Frau auf die Probe gestellt wird.
12. 2.; 15.30 Uhr, b-ware! Ladenkino Berlinale Goes Kiez, 17. 2., 18.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
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