piwik no script img

#MeToo in FrankreichPolitiker verklagt Frauen

Der grüne Ex-Abgeordnete Denis Baupin wurde von 14 Frauen der sexuellen Belästigung bezichtigt. Nun zerrt er sie wegen Verleumdung vor Gericht.

Fühlt sich missverstanden: der franzöische Ex-Grüne Denis Baupin Foto: ap

Paris taz | Vertauschte Rollen vor Gericht? In Paris sitzen gerade gleich mehrere Frauen auf der Anklagebank, die den Spitzenpolitiker Denis Baupin der sexuellen Aggression oder Belästigung beschuldigt haben. Der Ex-Abgeordnete war nach den Vorwürfen ohne ein juristisches Nachspiel davongekommen – weil laut Staatsanwaltschaft die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Formaljuristisch ist das möglich. Schockierend ist es dennoch, wenn ein Mann, der von insgesamt 14 Frauen ähnlicher Vergehen beschuldigt wird, den Spieß umdreht, indem er diese wegen Verleumdung vor Gericht zerrt.

Der 56-jährige Denis Baupin war ein prominenter Abgeordneter der Grünen und zeitweise auch als für Umwelt- und Klimafragen zuständiger Vizebürgermeister Mitglied der rot-grünen Stadtregierung in Paris. Seine steile Karrie­re endete im Mai 2016 – schon fast anderthalb Jahre bevor die Missbrauchsvorwürfe gegen Ex-Hollywood-Produzent Harvey Weinstein bekannt wurden, die zugleich die Hashtag-Kampagne #MeToo ins Rollen brachte.

Damals machten das Onlinemagazin „Médiapart“ und der Rundfunksender France Inter öffentlich, dass mehrere Frauen Baupin beschuldigten, sie in der Vergangenheit sexuell belästigt oder tätlich angegriffen zu haben. Die meisten waren Parteikolleginnen und Mitarbeiterinnen. Sie werfen Baupin vor, er habe sie unter anderem begrapscht und ihnen anzügliche SMS-Nachrichten geschickt.

Schweigen für die Partei

Zugleich erfuhr die erstaunte Öffentlichkeit, dass intern schon lange Gerüchte über Baupin zirkulierten. Trotzdem wussten einige seiner mutmaßlichen Opfer nicht, dass auch andere vom selben Mann bedrängt worden waren. Sie wollen zum Teil geschwiegen haben, um den Interessen ihrer Partei nicht zu schaden.

Baupin wies alle Vorwürfe gegen ihn zurück. Was ihm als Aggression oder Belästigung angelastet wurde, betrachtet er offenbar als eine Form von Charme oder Flirt, sich selbst als Freigeist. Er bezeichnet sich als „Libertin“.

Nachdem die Vorwürfe gegen Baupin öffentlich wurden, trat er aber zurück. Der Pariser Staatsanwalt leitete eine Voruntersuchung ein. Zwar kam er aufgrund der Aussagen der Opfer und Bestätigungen durch andere Personen zum Schluss, dass die vorgebrachten Anschuldigungen strafrechtlich verfolgt werden müssten – jedoch seien die Vorfälle verjährt. Der Staatsanwalt stellte das Verfahren gegen Baupin ein.

Ein Gerichtsprozess mit viel Bedeutung

Der Ex-Abgeordnete hat nicht nur seine Opfer, sondern auch Journalisten der beiden Medien angezeigt. Darum findet der Prozess bis Freitag vor der 17. Strafkammer statt, die für Pressedelikte zuständig ist. Für eine erfolgreiche Verteidigung gegen Verleumdungsvorwürfe müssen Journalisten und Einzelpersonen nach französischem Recht nachweisen, dass sie in gutem Glauben handelten oder die Wahrheit sagten.

Im Falle eines Schuldspruchs droht ein Höchstbußgeld von 45.000 Euro. Die Medien können zu ihrer Verteidigung anführen, dass sie Baupin von Beginn an die Gelegenheit zu einer Erwiderung gegeben haben, die dieser aber nicht hatte nutzen wollen.

Dass der Ex-Abgeordnete nun auf diese Art und Weise seinen Ruf reinwaschen will, muss für alle Opfer sexueller Gewalt ein Affront sein. So fragte Sandrine Rosseau, Ex-Grünen-Sprecherin und eine der Beschuldigten im Verleumdungsprozess: „Die Frage ist: Wird die Justiz die Botschaft senden, dass Frauen still zu bleiben haben?“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Für eine erfolgreiche Verteidigung gegen Verleumdungsvorwürfe müssen Journalisten und Einzelpersonen nach französischem Recht nachweisen, dass sie in gutem Glauben handelten oder die Wahrheit sagten."

    Also müssen in diesem Fall, vereinfacht ausgedrückt, die Beschuldigten ihre Unschuld beweisen.

    Diese Verdrehung erinnert mich an den Fall Maurer in Österreich.

    • @Lydia Stanke:

      Nein, die Anklage ist die Beschuldigung, das die vorliegt ist unzweifelhaft. Und das man eine Behauptung aufstellt und veröffentlicht die nicht bewiesen ist ist nun mal sehr fragwürdig, da sollte es selbstverständlich sein das man da schon belastbare Fakten vorweisen kann.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Vertauschte Rollen vor Gericht?" Wieso? Verleumdung ist und bleibt Verleumdung. Und jeder hat das Recht, sich gegen Verleumdungen zu wehren.

  • 8G
    87233 (Profil gelöscht)

    Merkwurdig finde ich nur, dass es alles nur Berichten waren die verjährt sind.



    Bei einen Mensch der sich angeblich so benimmt: was ist passiert dass er damit aufgehört hat? Oder sind die anderen Opfer alle nicht willens gegen ihm vorzugehen, und wenn das so ist, warum?



    Wie auch immer, in deren Schühen die jetzt verklagt sind, wäre ich sehr ungern. Die haben oder werden mindestens einmal durch die Mangel genommen, und wenn die Beschuldigungen von damals stimmen, dann mehrmals.

  • Schon wieder diese verquere Logik.



    Jeder hat das Recht sich gegen Vorwürfe zu wehren, es mag zwar einiges dafürsprechen das die Vorwürfe gegen Baupin begründet sind, aber wenn nichts bewiesen ist hat er das Recht sich juristisch zur Wehr zu setzen, wo da der Skandal oder Affront sein soll sehe ich nicht, schließlich ist es nicht angenehm mit solchen Vorwürfen in Verbindung gebracht zu werden, zumal falls diese doch nicht zutreffend sind. Das Gericht hat nach dem Gesetz zu Urteilen und nicht nach der Art der Vorfälle oder nach dem Geschlecht der Angeklagten.



    Daraus einen Skandal zu machen zeugt von einer stark einseitigen Sichtweise und einem gestörten Verhältnis zu demokratischen Grundsätzen.