Venezuela und Nationalsport Baseball: Turnier nach Panama ausgelagert
Wegen der Unruhen in Venezuela wird dem Baseball-Meister, den Cardenales de Lara, die Austragung der karibischen Klubmeisterschaft entzogen.
Ursprünglich sollten die Spiele ab kommenden Sonntag in Barquisimeto stattfinden, der Hauptstadt des Bundesstaates Lara. Von dort kommt Venezuelas frischgebackener Baseballmeister, die Cardenales de Lara. Letzten Sonntag erkämpften sich die Cardenales nach 18 Jahren Abstinenz ihren fünften Meistertitel. Mit dem entscheidenden vierten Sieg in der Serie 4 aus 7 schlugen sie die Leones del Caracas.
Und jetzt müssen sich die Spieler aus Lara, die auch „die roten Vögel“ genannt werden, Flugtickets besorgen. Die Freude darüber, die Karibikmeisterschaft vor eigenem Publikum austragen zu dürfen, ist der Empörung gewichen. Die nationalen Meister aus Kuba, Mexiko, Puerto Rico und der Dominikanischen Republik müssen auch ihre Flugtickets nach Panama umbuchen. Freuen kann sich lediglich Panamas Meistermannschaft, die als Gastgeber nun teilnehmen darf.
Baseball ist in Venezuela populärer als Fußball, was eine Besonderheit auf dem südamerikanischen Kontinent ist. Diese Vorliebe hängt mit der Präsenz US-amerikanischer Ölfirmen seit Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen. Mit ihnen kam auch jede Menge Botschafter dieses Sports. Die brachten den Caribeños an den Wochenenden das Spiel und die Leidenschaft bei. Baseball ist zwar in allen Bevölkerungsschichten verankert, doch die meisten Spieler stammen aus der Unterschicht. Der Traum vieler ist es, einmal in der US-amerikanischen Major-League zu spielen. Nicht wenige haben das geschafft, einige wurden sogar zu Stars, die Millionen verdienen.
„Als Junge habe ich davon geträumt, bei den New York Yankees zu spielen“, erzählte Hugo Chávez, der auch als Präsident noch ab und an um die Bases kurvte. Zwar hat der Comandante den Sprung zu den US-Profis nicht geschafft, aber seine Leidenschaft hat Venezuelas Baseball viel geholfen.
Die Zuschauer bleiben zu Haus
Trotz der großen Popularität leeren sich die Zuschauerränge von Saison zu Saison immer mehr. Nicht Gewalt hält die Fans vom Stadionbesuch ab, sondern die hohen Eintrittspreise. Die extreme Inflation und der alltägliche Kaufkraftverlust machen die Entscheidung für ein Ticket gerade unter der ärmeren Bevölkerung immer schwieriger. Ernsthaft dachten die Ligaverantwortlichen darüber nach, die Saison 2017/2018 ausfallen zu lassen. Erst eine Finanzspritze der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA in Höhe von 10 Millionen Dollar machte sie möglich.
Und so fiel trotz der tiefen politischen und ökonomischen Irrungen und Wirrungen bisher keine Spielzeit der 1946 gegründeten Liga Venezolana de Béisbol Profesional aus. Acht Teams spielen in der Profiliga. Die Leones und die Tiburones (Haie) de La Guaira aus dem Hauptstadtbezirk Caracas sowie sechs Teams aus den wichtigsten Städten des Landes. Rekordmeister sind die Löwen aus Caracas mit 20 nationalen Titelgewinnen.
Der Zufall wollte es, dass das dritte Spiel um die aktuelle Meisterschaft am 23. Januar in Caracas ausgetragen wurde, im Stadion der Löwen, das Mitte der 1950er Jahre unter dem damaligen Diktator und General Marcos Pérez Jiménez gebaut wurde. Jiménez war am 23. Januar vor 61 Jahren aus dem Land gejagt worden. Und nun 61 Jahre später hatte sich Parlamentspräsident Juan Guaidó am 23. Januar vor Hunderttausenden zum Interimspräsidenten erklärt. Seither hat Venezuela zwei Präsidenten.
Bei der abendlichen Begegnung zwischen den Leones und den Cardenales lag denn auch mehr als Baseball-Spannung in der Luft. „Guaidò presidente!! Guaidò presidente!!“ skandierten einige ZuschauerInnen, mehr war aber nicht. Venezuelas Baseballfans sind anders als Fußballfans in und außerhalb der Stadien ein friedfertiges Völkchen. Nur sehr selten kommt es zu Rangeleien oder Ausschreitungen.
Doch die extreme Gewalt und Kriminalität in Venezuela betrifft auch den Baseball. Am Abend des Titelgewinns gedachten die Cardenales ihrer ehemaligen Mitspieler Luis Valbuena und José Castillo. Die beiden waren nach einem Auswärtsspiel Anfang Dezember nicht in den Mannschaftsbus gestiegen, sondern traten die Heimfahrt mit einem eigenen Fahrzeug an. Mutmaßliche Diebe hatten Hindernisse auf der Fahrbahn platziert, um Autos aufzuhalten und auszurauben. Das Auto der beiden geriet ins Schleudern, Valbuena und Castillo kamen ums Leben.
(Übersetzung Jürgen Vogt)
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