: AKW bleibt inkontinent
Obwohl das AKW Brunsbüttel stillgelegt ist, darf Vattenfall so viel radioaktiv belastetes Wasser ableiten wie zu Betriebszeiten. Grüner Minister erlaubt das, BUND prüft jetzt Klage
Von Marco Carini
Es hat sich nichts geändert – zumindest nicht für die Elbe. Obwohl der Atommeiler Brunsbüttel längst stillgelegt ist und als erstes der drei schleswig-holsteinischen Kernkraftwerke zurückgebaut wird, darf er weiter so viel Radioaktivität in die Elbe ableiten wie zur Zeit des Vollast-Betriebs. Das ist Bestandteil einer Vereinbarung zwischen den Kraftwerksbetreibern Vattenfall sowie Preussen Elektra und dem Kieler Umweltmister Jan Philipp Albrecht (Grüne).
Während des Rückbaus will Betriebsführer Vattenfall vor allem radioaktiv verunreinigte Komponenten des Meilers mit dem Elbwasser dekontaminieren. Ein Teil der strahlenden Altlasten landet dann in der Elbe. Dass es so viel sein darf als würde Brunsbüttel noch Strom produzieren, bringt den schleswig-holsteinischen Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation BUND, Ole Eggers, auf die Palme: „Es ist nicht einsichtig, dass so viel Radioaktivität in die Elbe geleitet werden darf“, klagt er, technisch sei es längst möglich die radioaktiven „Einleitungen zu reduzieren“.
Luft ja, Wasser nein
In knapp zwei Wochen, am 12. Februar, will der Vorstand der Landesorganisation des BUND entscheiden, ob er Klage gegen die Genehmigung vor dem Verwaltungsgericht einreicht. „Wir prüfen gerade die Erfolgsaussichten“, sagt Eggers.
In dem 700-seitigen Stilllegungs- und Ablehnungsbescheid ist festgelegt, dass die Abgabe radioaktiver Stoffe in die Luft deutlich reduziert wurde, was bei Nichtbetrieb nur logisch ist. Dafür heißt es in der Vereinbarung aber wörtlich: „Die zulässige Ableitung radioaktiver Stoffe mit dem Wasser bleibt unverändert.“ Jan Backmann, Leiter der Albrecht unterstellten Atomaufsicht, erklärte gegenüber dem NDR, es gäbe keine gesetzliche Grundlage aufgrund derer seine Abteilung „die Grenzwerte für Radioaktivität hätte herabsetzen können“.
Das Umweltministerium betont zudem, dass die Abwasser-Grenzwerte schon in der Betriebsphase des Reaktors nicht annähernd ausgeschöpft wurden. Sie geht davon aus, dass die Höchstgrenze der Ableitung radioaktiver Stoffe wie auch zu Zeiten der Stromproduktion, „nur im Bereich weniger Prozent ausgenutzt“ werde. „Der Betreiber muss alles unternehmen, um diese Werte maximal zu unterschreiten“, ergänzt Backmann. Eine Anforderung, die BUND-Chef Eggers für realitätsfremd hält: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Unternehmen vorhandene Grenzwerte oft ausnutzen, um Kosten zu sparen.“
Das Umweltministerium verweist darauf, dass die jetzt beanstandete Lizenz zum Ableiten das Ergebnis eines transparenten öffentlichen Verfahrens war. Ein gewässerökologisches Gutachten hätte erwiesen, dass „keine nachteiligen Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser eintreten“.
Kritik über Bande
Aber Albrecht, dessen politische Wurzeln in der niedersächsischen Antiatomkraftbewegung liegen, bekommt nicht nur Druck vom BUND, sondern auch von seinen niedersächsischen Parteifreunden und einstigen KampfgefährtInnen. So zielt die aus dem Landkreis Cuxhaven stammende grüne Landtagsabgeordnete Eva Vielhoff zwar offiziell auf die Große Koalition in Hannover, wenn sie dieser vorwirft, sie hätte „versäumt, auf niedrigere Einleitungen zu drängen“. Doch über Bande, das ist klar, steht vor allem Albrecht im Fokus der Kritik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen