: Billig kann teuer werden
Gesundheit Nord und Flughafen Bremen sind Opfer der Insolvenz der Deutschen Energie Gesellschaft – weil der niedrige Preis bei der Ausschreibung zu wichtig war
Von Benno Schirrmeister
Für 470.000 Euro mehr pro Jahr wäre die Sache vom Eis, und die Strom- und Gasversorgung von Gesundheit Nord und Airport Bremen wären bis 2020 gesichert gewesen. Allerdings hat sich Bremen nach europaweiter Ausschreibung fürs Angebot der Deutschen Energie Gesellschaft mbH entschieden. Die hatte für die kalkulierten 43 Gigawatt Strom jährlich 4,7 Millionen Euro veranschlagt und für 3,04 Millionen für einen erwarteten Lieferumfang von 59,7 GW/a Erdgas.
Seit Weihnachten aber ist das Unternehmen aus Erlenbach bei Heilbronn insolvent. „Sehr kurzfristig“, noch vor Lieferbeginn 1. Januar 2019, sei es aber gelungen, fürs erste Halbjahr „mit zwei im damaligen Verfahren mitbietenden Unternehmen abzuschließen“, teilte für Immobilien Bremen Peter Schulz mit. Der Preis steigt um etwa 7 Prozent – und Gasag und Energievertrieb Deutschland beliefern die kommunalen Abnehmer.
Bremen ist dabei mit einem blauen Auge davongekommen: Wären die zuvor unterlegenen Bieter nicht eingesprungen, wären die Krankenhäuser und der Flughafen wohl in die Ersatzversorgung gerutscht: Wenn ein Vertragspartner ausfällt, muss der regionale Grundversorger, in diesem Fall die swb, bei Normalkunden einspringen, um die Energielieferung sicherzustellen, bei Großkunden ist es für ihn mindestens von Vorteil, denn abrechnen darf er diese Leistung dann nach allgemeinen Bedingungen und Preisen. Das wäre richtig teuer geworden.
Aggressives Pricing
„Wir haben keine Discountpreise“, erläutert swb-Sprecher Friedhelm Behrens, warum man bei der Ausschreibung nicht habe mithalten können. Während die Sprecherin der Finanzsenatorin betont, dass „Nachhaltigkeit und die Erfüllung sozialer Standards bei uns Bedingung bei Ausschreibungen sind“, sieht man bei der swb eine exklusive Fokussierung auf den Preis und eine Vernachlässigung der regionalwirtschaftlichen Kriterien.
„Bei dem Ausschreibungstext hätte es gereicht, auch nur einen Euro teurer zu sein als die Konkurrenz, und wir wären aus dem Rennen gewesen“, so Behrens. Dabei zahle man ja in Bremen Steuern, schaffe Arbeitsplätze und bilde aus. „Billiger ist nicht immer besser“, so Behrens. Die erst 2013 gegründete DEG hatte durch aggressives Pricing vor allem um öffentlich-rechtliche Großabnehmer geworben: „Bei Ausschreibungen für Strom- und Gaslieferungen entscheiden sich immer mehr Kommunen, Landkreise sowie öffentliche Bildungs- oder Gesundheitseinrichtungen für einen alternativen Anbieter“, hieß es noch im vergangenen Sommer im Branchenmagazin Windkraft-Journal. Dazu gehöre „auch der bundesweit tätigen Energieversorger DEG Deutsche Energie GmbH, der sich in der Branche als preiswerter und zuverlässiger Lieferant einen Namen gemacht“ habe.
Tolle Referenzen
Einen Namen machen, das trifft’s: So hat man sich von der in Düsseldorf angesiedelten „Studie 360°“ bescheinigen lassen, „vorbildliche Maßstäbe in der Energiewirtschaft“ zu setzen sowie „faire und transparente Vertragskomponenten“ zu bieten. Das Zertifikat erhält ein Unternehmen aber, sobald es „einen Teilnehmerbogen mit zahlreichen Fragen rund um seine Leistungen und seine angebotenen Produkte“ erfolgreich ausfüllt und nach Düsseldorf zurückschickt. Und während man etliche Kommunen, darunter auch Thüringens Landeshauptstat Erfurt, im Portfolio hatte, ließ sich DEG-Geschäftsführer Tillmann Raith vergangenen Februar in seiner Heimatzeitung, der Heilbronner Stimme, dafür feiern, dass man die glamouröse Elbphilharmonie als Kunden habe. In Hamburg allerdings kann man sich nicht erklären, wie diese Behauptung zustande kommt. „Die Referenz der Deutschen Energie GmbH auf die Elbphilharmonie ist unrichtig“, so ein Sprecher des Konzerthauses auf Nachfrage zur taz.
Auch bei IB hatte man Zweifel an der Seriosität der Erlenbacher. Weil ihr Preis der Erlenbacher so deutlich unter dem des zweitniedrigsten gelegen hatte, sei „die Möglichkeit des Ausschlusses des Bieters DEG eingehend geprüft worden“, so Schulz. „Auch eine rechtliche Einschätzung wurde eingeholt.“ Ergebnis: Der Verdacht reichte nicht. Man habe bei IB „keine andere rechtssichere Möglichkeit“ gesehen, „als auf das Angebot einzugehen“.
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