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american pieRaketenmäßig gut!

James Harden überzeugt als derzeit bester Spieler der NBA. Aber was bringt das seiner Mannschaft, den Houston Rockets?

James Harden verschwendet keine Zeit in New York, gerade einmal 55 Sekunden sind seit dem Anwurf im Madison Square Garden vergangen, da packt der Shooting Guard der Houston Rockets seinen gefürchteten Spielzug aus: ein lässig-provokantes Dribbling knapp außerhalb der Dreipunktlinie als Köder für die Abwehr; dann, ein Schritt zurück und im Fallen ein unmöglicher Distanzwurf, während der Verteidiger der New York Knicks versucht, ihm in die Arme zu greifen. Der Ball zischt ins Netz, während der Schiedsrichter pfeift: Schon steht es vier zu null für die Houston Rockets.

Man nennt diesen Spielzug Step Back Three. Kein Trainer der Welt empfiehlt ihn einem Spieler, die Erfolgsquote ist einfach zu gering. Doch Harden ist kein normaler Spieler. Harden ist der beste derzeit, sein Lauf in den vergangenen Wochen wird als historisch bezeichnet. 261 Punkte in fünf Spielen, 23 Spiele mit 30 Punkten und mehr. In solchen Regionen bewegten sich vor ihm in der NBA Geschichte bislang nur Kobe Bryant, Michael Jordan und Wilt Chamberlain, der Über-Spieler der 70er Jahre.

Im Verlauf des Abends kippt die Stimmung zunehmend auf die Seite der gastierenden Texaner. Keiner auf den Rängen der legendären Arena kann sich dem Schauspiel entziehen. Harden bringt eine denkwürdige Vorstellung nach New York, eine, über die man noch lange reden wird. Am Ende stehen für ihn 61 Punkte zu Buche, allein Chamberlain hat 1962 hier noch besser getroffen. Den Abend beschließt Harden standesgemäß mit einem Dunk, der den 114:110-Sieg seiner Rockets besiegelt.

Eine halbe Stunde später steht der modebewusste Harden in einem grellgelb gemusterten Mantel und ockerfarbenem Rollkragenpulli in den Katakomben und versucht, seine Leistung herunterzuspielen. Er habe halt getan, was er tun musste, um seiner Mannschaft zum Sieg zu verhelfen, und die Rockets bräuchten eben zur Zeit dringend Siege. Als er auf Chamberlain angesprochen wird, kann er sich jedoch ein kurzes, stolzes Grinsen nicht verkneifen.

Sein Name gehört nun in eine Reihe mit den Großen. Harden steuert gerade zielsicher darauf zu, zum zweiten Mal hintereinander zum MVP der Liga gewählt zu werden. Zu den All Stars der NBA gehört er seit 2014. Doch seine große Kunst wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vom Über-Team der Golden State Warriors und LeBron James überstrahlt. Im Conference Finale des vergangenen Jahres reichte auch eine überragende Leistung von Harden nicht, damit die Rockets sich durchsetzten gegen die Warriors, die dann im Finale gegen Cleveland den Titel gewannen.

In den vergangenen Wochen kam Harden nicht mehr darum herum, ins Rampenlicht zu treten. Die Rockets, die nach der Vorsaison als eines der Top-Teams der Liga gehandelt wurden, hatten nach den Verletzungssorgen von Hardens wichtigsten Mitspielern einen holprigen Saisonstart. Mitte Dezember waren sie Vorletzte in ihrer Conference. Coach Mike d’Antoni gab die Parole aus, dass um jeden Preis Spiele gewonnen werden müssen. Harden schaltete zwei Gänge hoch. Seitdem läuft es wieder. Die Texaner führen die Southwest Conference an und schlagen Top-Teams wie die Los Angeles Lakers, aktuell Toronto und Orlando.

Dafür muss James Harden Überstunden einlegen, zur Zeit spielt keiner so viele Minuten wie er. Aber seit Beginn dieser Woche ist Chris Paul wieder im Einsatz. Das könnte sich auf Hardens Lauf dämpfend auswirken. Für die Houston Rockets gilt es nun, von einer Ein-Mann-Show auf ein komplexeres System umzuschalten. Doch dem Rest der Saison kann das Team nun mit der Gewissheit entgegen schauen, dass Harden nur den Turbo anschalten muss, um fast jedes andere Team wegzufegen.

Sebastian Moll

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