Kolumne Flimmern und Rauschen: „Bild“ freut sich zu früh
Die „Bild“-Zeitung hat den „Spiegel“ als meistzitiertes Medium überholt, frohlockt Springer. Aber die Quelle der Zahlen ist zweifelhaft.
Die Woche begann gut für die KollegInnen in der Axel-Springer-Straße. Und was macht man, damit das auch jeder mitkriegt? Man schmeißt es auf die Titelseite von Bild: „Es ist die härteste Währung im politischen Journalismus: mit Exklusiv-Nachrichten von der Konkurrenz zitiert zu werden. Niemandem gelang dies 2018 so häufig wie Bild“, röhrte es am Montag. „1.203-mal wurde das Blatt laut des angesehenen Zitate-Rankings von Media Tenor“ im vergangenen Jahr mit Nachrichten, Berichten, Interviews von anderen Medien zitiert. Klare Meinungsführerschaft: vor Spiegel (1098), New York Times (907) und Bild am Sonntag (895 Zitate)“, freute man sich in eigener Sache.
Nur ist es leider schon mehr als etwas verräterisch, wenn man die Quelle des Freudentaumels selbst mit Attributen wie „angesehen“ aufpeppen muss. Denn bei Media Tenor handelt es sich um einen Laden, der mit der Kneifzange anzufassen ist. Die Zahlen der Zitate-Ranker von Media Tenor sind heutzutage nicht einmal mehr umstritten.
Schon vor rund zehn Jahren begannen sich so ziemlich alle renommierten Medienwissenschaftler von dem mittlerweile in der Schweiz ansässigen Institut und seinem Chef Roland Schatz zu distanzieren. Von Schatz über den Tisch gezogene Exmitarbeiter von Media-Tenor bekannten 2008 in der taz: „Wir wurden gezwungen zu manipulieren.“ Michael Haller, Journalistikprofessor aus Leipzig, nannte die Media-Tenor-Zahlen „nicht solide, nicht seriös“ und schlussfolgerte, die Firma betreibe „Datenmanipulation“, um ihre Auftraggeber zufriedenzustellen. Damals hat Schatz den mittlerweile emeritierten Haller deswegen vor Gericht gezerrt – und war krachend gescheitert.
Das heißt jetzt natürlich nicht, dass aus der Bild nicht vielleicht wirklich noch ein bisschen mehr abgekupfert – äh: zitiert wurde als aus Spiegel et al. Neben den KollegInnen von Springer freut sich übrigens auch Holtzbrincks Handelsblatt, dass es im Vergleich zum Vorjahr den meisten Zuwachs beim Zitateschleudern erzielen konnte.
Sinnentleerte Oberflächlichkeit
Aber was bitte sagen solche Rankings eigentlich aus? Befördert dieser Wettbewerb des „Wer hat den Längs… – Pardon! – „die meisten?“ nicht genau die sinnentleerte Oberflächlichkeit der durchlauferhitzten (Pseudo-)Nachrichtenmaschinerie? Nach Relevanz misst jedenfalls keine der Erbsenzählanstalten.
Andererseits ist es irgendwie auch tröstlich, auf diese Weise mal wieder ein Lebenszeichen von unserem Media-Schatz zu bekommen. Seit er – wegen Untreue einschlägig vorbestraft – ins Schweizer Exil floh, ist es doch sehr still um ihn geworden. Nur Bild hat noch – ein Herz für Schatz.
In einer früheren Version dieses Artikels stand, das Fachmagazin „Horizont“ gehöre zur Holzbrinck-Gruppe. Das ist falsch. „Horizont“ gehört zum Deutschen Fachverlag. Wir bedauern den Fehler und danken für die Hinweise.
Leser*innenkommentare
Philippe Ressing
Tja, das ist des Pudels Kern beim Fake-Skandal des Spiegels. Das Online-Ranking und der Platz Eins als zitiertes Medium beherrscht das Handeln der Redaktionen auf Der Jagd nach dem Medien-Hype. Recherche, Dokumentation, Überprüfung -Scheißegal, Hauptsache der Algorythmus von Google und Co plaziert den Titel ganz Oben auf der Liste. Insofern gebührt dem Lügenblatt allerdings der Erste Platz und beim Spiegel sollte man mal nachdenken - aber nicht nur da, Herr Grimberg und die taz......
Lowandorder
Short cut - Media Terror - the name