piwik no script img

Höschen des Anstoßes

Warum regen sich alle auf, weil man in einen Pool im Meridian Spa künftig nicht mehr nackt gehen soll? Schlecht informierte Aufreger sind Stolpersteine auf dem Weg zur Wahrheit

Alle, die sich darüber beschweren, dass sie im Wellnessbereich nicht mehr nackt sein dürfen, haben sich nicht richtig informiert

Von Katrin Seddig

Ab dem 1. Februar soll im Meridian Spa im Pool ein Höschen getragen werden. Ist das eine Bombennachricht? Es ist eine Bombennachricht. Es bewegt die Hanseaten mehr als ein paar Verkehrstote oder Schießereien. Es ist der Aufreger schlechthin. Alle Tageszeitungen berichteten. „Ist das schon Prüderie?“, fragt das Hamburger Abendblatt. Auf Facebook toben sich die Mitglieder aus. Die einen leicht erbost, die anderen schäumend. Man weiß es nicht ganz genau, aber die Muslime sollen schuld sein. Die Geflüchteten, die Merkel ins Land gelassen hat. Das hört sich auf Facebook so an: „Juhu, die Ölaugen haben gewonnen.“ „Der Burkini hält Einzug. Jede Wette.“ „Wählt weiter diese linksversifften Islam-Anbeter… Das ist erst die Spitze des Eisbergs. Unterwerfung pur.“ Eine Nutzerin schreibt einfach nur immer: „Wählt AfD.“ Eine andere mutmaßt in eine andere Richtung: „Hier haben sich die beschwert, die übergewichtig sind.“

Nun ja. Ich bin nach Wandsbek gefahren und habe den Wellnessbereich besucht. Es hat mir sehr gut gefallen. Die Menschen waren weniger wild als auf Facebook, die Leute waren sogar sehr leise. Sie haben so gut wie gar nicht geredet, und waren gar nicht mal so besonders nackt. So, wie ich die Sache beobachtet habe, laufen die meisten auch im Wellnessbereich mit einem Handtuch um den Körper geschlungen herum, oder sie tragen einen Bademantel. Sie lassen alles fallen, wenn sie in den Whirlpool steigen oder in die Sauna gehen. Dann duschen sie oder tauchen in das kalte Becken, dann wieder Handtuch oder Bademantel. Insbesondere im Ruheraum sind alle bedeckt und sogar mit den zur Verfügung stehenden Decken zugedeckt.

Was dieses Nacktsein angeht, da habe ich mich selbst überwinden müssen, da ich in der Öffentlichkeit ungern nackt bin. Ich habe kein Problem mit meinem Körper, ich mag ihn recht gern und bin sogar zufrieden. Nackt sein ist für mich etwas Intimes, etwas Besonderes, aber ich würde niemals meine eigene Empfindung als richtig und die eines anderen als falsch bezeichnen. Menschen sind verschieden. Manche sind gerne nackt. Es gibt Nacktwanderwege in der Lüneburger Heide, da wandern sie nackt. Sie sind ok, ich bin ok. So ist das. Wir sollten uns nicht zerfleischen.

Aber zurück zum Spa in Wandsbek. Im Wellnessbereich ist das Nacktsein nicht nur erlaubt, in der Sauna und im Whirlpool ist es Vorschrift. Das war immer so und soll auch weiterhin so sein. Alle, die sich darüber beschweren, dass sie im Wellnessbereich nicht mehr nackt sein dürfen, haben sich nicht richtig informiert. Sie dürfen und müssen weiterhin nackt sein. Lassen wir diese schlecht informierten Aufreger hinter uns. Schlecht informierte Aufreger sind nur Stolpersteine auf dem Weg zu Wahrheit und Erkenntnis. Gehen wir die Treppe hoch, das muss man in Wandsbek nämlich, um zum Pool zu gelangen.

Es gibt einen wunderbaren Pool, in dem man sogar hinaus auf die Dachterrasse schwimmen kann, das ist ganz große Klasse. In diesem Pool, der sich direkt vor dem Res­taurant befindet, in diesem Pool soll man nicht mehr nackt sein dürfen. „Bye, bye FKK“ steht auf einem Schild vor dem Pool. Nun gut, dachte ich mir, noch darf ich. Und ja, alle Leute im Pool waren nackt. Es ist angenehm, nackt zu baden. Tatsächlich ist es so, dass man zwar sieht, dass die Menschen nackt sind, aber aufgrund der unruhigen Wasseroberfläche und der Brechung des Lichtes kann man keine Einzelheiten, wie Geschlechtsteile, erkennen. Einzelheiten, wie Geschlechtsteile, kann man sehr gut erkennen, auch vom Restaurant aus, wenn man aus dem Pool heraussteigt. Und auf diesem Weg fühlte ich mich tatsächlich auch etwas unwohl.

Was ist jetzt mein Fazit? Das Nacktbaden im Pool ist geil, aber es ist auch kein Problem, ein Höschen anzuziehen. In den Foren ist von umständlichem Umziehen die Rede. Ich denke, niemand muss sich umziehen, wenn er nackt ist. Ein Nackter kann sich allenfalls etwas anziehen, ein Höschen zum Beispiel, und es bereitet eine eher nur mittelmäßige Mühe, sich ein Höschen anzuziehen, bevor man die Treppe zur höhergelegenen Pool-Etage betritt. Auch die, die hier vom „Mitschleppen“ eines Höschens reden, kann ich nicht ernst nehmen, denn ein Höschen hat ein eher geringes Eigengewicht, im Wellnessbereich müssen ja noch ganz andere Dinge „mitgeschleppt“ werden. Das Saunatuch zum Beispiel, das Handtuch zum Abtrocknen, der Bademantel, die Brille, ja, die Badeschuhe.

Das Höschen ließe sich wohl unterbringen. Das alles kann kein Thema sein. Das Thema ist: Wer nimmt diesen Nacktbadeliebhabern das Recht zum Nacktbaden weg? Und warum? Was für eine gesellschaftliche Entwicklung hat zu diesem Schritt geführt? Ist es eine gesellschaftliche Entwicklung? Stecken Muslime dahinter? Die Geschäftsführung des Meridian Spa gibt an, es hätte über einen längeren Zeitpunkt bereits Beschwerden gegeben. „Ganz wichtig ist uns an dieser Stelle aber der ausdrückliche Hinweis darauf, dass wir die neue Regelung für keine bestimmte Personengruppe eingeführt haben.“ Ich habe selber mit Leuten gesprochen, mit reinen Christen übrigens, die das Meridian Spa wegen der Nacktbader meiden. Ich würde also behaupten, es sind nicht nur Muslime, die sich von der Freizügigkeit gestört fühlen. „Wir sind kein FKK-Club“, äußerte sich Christin Lüdemann, stellvertretende Geschäftsführerin der Meridian GmbH im Hamburger Abendblatt.

Ist es, am Ende, vielleicht nur viel Luft um wenig bis gar nichts? Ein Höschen im Pool? Handtuch übers Geschlechtsteil auf der Sonnenterrasse? Die meisten sind gegen die neue Bekleidungsvorschrift, meinen die Facebook-Kommentierenden. Aber sind die meisten überhaupt die meisten? Ein Höschen im Swimmingpool hat, meines Erachtens, mit Prüderie noch nichts zu tun. Auch nicht mit gesellschaftlicher Entwicklung. Einigen Leuten wird jetzt etwas weggenommen. Vielleicht kündigen sie. Anderen ist jetzt wohler. Ich kann beim besten Willen da keine große Sache drin sehen. Tut mir Leid.

Vielleicht noch eines. Im Whirlpool saßen nur Männer, als ich kam, nur Männer, als ich zwei Stunden später ging. Die ganzen Frauen, die da waren, die wollten wohl nicht in den Whirlpool.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen