piwik no script img

Gentrifizierung in Gropiusstadt

Der Bezirk Neukölln möchte Mietsteigerungen durch teure Sanierungsmaßnahmen verhindern

Von Volkan Ağar

Während dieser Tage leidenschaftlich über Rekommunalisierung von privaten Wohnungsbeständen debattiert wird, erreicht die Verdrängung mittlerweile auch die Stadtränder. Laut Bezirksamt Neukölln, das ein Gutachten bei der Landesweiten Planungsgesellschaft mbh in Auftrag gegeben hat, leidet die Gropiusstadt im südlichen Stadtrand unter steigendem Aufwertungsdruck. Da dort der Milieuschutz nicht greift, reagiert der Bezirk mit einem „Aufstellungsbeschluss für eine Umstrukturierungsverordnung“. Konkret heißt das, dass der Bezirk Bau- und Sanierungsanträge für ein Jahr aufschieben kann, um in dieser Zeit Sozialkriterien mit den Wohnungs­unternehmen auszuhandeln.

Die Situation in der Gropiusstadt ist brisant: Großer Sanierungsbedarf und ein über dem Berliner und Neuköllner Durchschnitt liegender Verkauf von Wohnungen treffen hier laut Bezirk auf eine überdurchschnittlich bedürftige Bevölkerung. Der Anteil derer, die So­zial­hilfe empfangen, läge laut Untersuchung mit 9 bis 10 Prozent über dem Landes- und Bezirksdurchschnitt. Insbesondere Kinder bis 15 Jahren seien betroffen: Über 60 Prozent von ihnen lebten in Bedarfsgemeinschaften. Gleichzeitig stiegen die Angebotsmieten, mancherorts lägen sie nach einer Sanierung bei 10,70 Euro pro Quadratmeter.

Der Neuköllner Bezirkstadtrat Jochen Biedermann (Grüne) sagte der taz, dass es bei dem gefassten Beschluss „um Mieterschutz bei großen Umstrukturierungen in der Siedlung“ geht. Bei den Sozialkriterien, die er verhandeln will, denke er an Mietbegrenzungen oder Härtefallregelungen. Termine mit den wichtigsten privaten Akteuren, Deutsche Wohnen und Gropiuswohnen, seien bereits abgemacht. Das Vorgehen sei jedenfalls „ein Stück weit Neuland“, so Biedermann. „Wir werden sehen, was wir erreichen können.“

Am Dienstag hatte er zu einer Einwohnerversammlung geladen. Unter dem Titel „Steigende Mieten in der Gropiusstadt“ sprach er dort mit knapp 200 Menschen über ihre Sorgen. „Es gab ganz viel Angst und Ohnmachtsgefühl“, so Biedermann. Verdrängung sei „längst kein Innenstadtphänomen mehr“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen