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Interreligiöses Gebetshaus in BerlinAlle unter einem Dach

Das „House of One“, das interreligiöse Gebets- und Lehrhaus, soll mitten in Berlin stehen. Das Gebäude muss aber noch gebaut werden.

Das Areal am Petriplatz in Berlin. Hier steht noch das Provisorium Foto: Emmanuele Contini

Berlin taz | Den Anfang macht der Imam. „Alhamdulillah“, beginnt Kadir Sancı, ein ruhiger Mann in grauem Anzug mit weißer Kappe, sein Gebet. Neben ihm stehen Rabbiner Andreas Na­chama und Pfarrer Gregor Hohberg. Sie sind als nächstes dran.

Gut neunzig Menschen sind an diesem Mittwochmorgen in den Infopavillon, einen hohen Bretterverschlag auf dem Petriplatz in Berlin-Mitte, gekommen. Mitglieder der verschiedenen Gemeinden, Journalisten, Politiker; Petra Pau ist da, Sawsan Chebli ebenfalls. Man sitzt auf Klappstühlen, draußen rattern Autos die Gertraudenstraße entlang.

Seit einem Jahr steht der Pavillon hier. Es gab interreligiöse Andachten, Schulklassen schauten vorbei, Theologen diskutierten über Glaubensfragen. Nun wird das Konstrukt – von vornherein als Provisorium angelegt – abgebaut, um seiner eigentlichen Bestimmung Platz zu machen: dem House of One.

Ein beispielloses Projekt: ein Bet- und Lehrhaus für Juden, Muslime und Christen. Mehrere Räume soll es in dem Neubau geben: eine Kirche, eine Synagoge, eine Moschee, in denen die Anhänger der Religionen für sich beten können. Um dann im Hauptraum zum Austausch zusammenkommen.

43,5 Millionen Euro sind für das Projekt veranschlagt. Im November 2018 bewilligte der Bund einen Zuschuss von 10 Millionen – unter der Bedingung, dass das Land Berlin mit 10 Millionen mitzieht und die Initiatoren Privatspenden in derselben Summe vorweisen können. Rabbiner Nachama klingt in seiner Eröffnungsrede an diesem Mittwoch optimistisch. Es gebe gute Zeichen für einen Fortgang. „Aber man muss auch fest daran glauben.“

Es wird ein angenehmer Morgen. Das Diplomatische Streichquartett um den Antisemitismusbeauftragten Felix Klein spielt Bach. Staatssekretär Gerry Woop spricht in seinem Grußwort von einem „Ort der Begegnung“. Architekt Wilfried Kuehn präsentiert auf einem Großbildschirm seinen Entwurf für das Gebäude.

Es ist, ohne Frage, ein tolles Konzept: Muslime, Christen und Juden unter einem Dach. Durch abgetrennte Gebetsräume in ihrer Eigenheit bewahrt, durch den großen Raum aber im Austausch. Und doch ist das House of One nicht unumstritten.

Eine Frage der Repräsentanz

Da ist die Frage der Repräsentanz. Das Projekt wird von verschiedenen Gemeinden getragen: Auf christlicher Seite von der evangelischen St.-Petri-St.-Marien-Gemeinde, die das Projekt maßgeblich initiiert hat. Auf jüdischer Seite von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Abraham Geiger Kolleg, einem liberalen Rabbinerseminar. Doch inwiefern sind diese Gemeinden exemplarisch für ihre Religion?

Deutlicher wird dies auf muslimischer Seite. Verschiedene Moschee-Gemeinden und Verbände wurden von den Initia­toren angefragt. Einzig das Forum Dialog erklärte sich bereit. Der Verein steht der Hizmet-Bewegung um den Prediger Fethullah Gülen nahe.

Die Hizmet-Bewegung, die von Erdoğan für den Putsch verantwortlich gemacht wird und in der Türkei als Terrororganisation eingestuft ist, steht deshalb massiv unter Druck. Zehntausende mutmaßliche Anhänger wurden verhaftet, Zehntausende flohen. Spätestens seitdem geht auch in Deutschland ein Riss durch die türkische Gemeinde. Entsprechend schwer dürfte es werden, Erdoğan-treue Besucher von Ditib-Moscheen, von denen es rund 900 in Deutschland gibt, für das Projekt zu begeistern.

Imam Sancı kennt die Fragen nach der Relevanz. Er habe so viel Rückhalt wie nötig, sagt er. Aber klar, es könnten mehr sein. Seit sieben Jahren versuche er, Menschen für die Idee zu begeistern; die politische Entwicklung falle da kaum ins Gewicht.

Doch inwiefern sind diese Gemeinden exemplarisch für ihre Religion?

Doch es stehen auch andere Bedenken im Raum. Die Hizmet-Bewegung, die weltweit rund 800 Schulen unterhält, ist umstritten. Der Verfassungsschutz fand 2014 zwar keine tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Ein interner Bericht des Auswärtigen Amts aber spricht von einer „gezielten Unterwanderung staatlicher Institutionen in der Türkei“. Aussteiger berichten von „sektenähnlichen Strukturen“.

Roland Stolte, Verwaltungsdirektor des Projekts, veröffentlichte 2015 eine Stellungnahme dazu: Das Forum Dialog habe eine große Offenheit gegenüber anderen Religionen demonstriert, schrieb er; man habe sich in der gemeinsamen Charta auf verbindliche Werte verständigt. Verstöße würden geahndet. Zudem stehe man in Kontakt zum Bundesinnenministerium, das einen über Hinweise des Verfassungsschutzes informieren würde.

Von diesen Auseinandersetzungen ist an diesem Mittwoch nur wenig zu hören; nur hier und da schimmert das Thema durch. Etwa wenn Stolte von einer Existenz des Projekts in den „Zwischenräumen“ spricht. Davon, dass es keinen religiösen Absolutheitsanspruch vertrete. Es zwar politisch, aber nicht Teil von Politik sei. Der grundsätzliche Ton an diesem Mittwoch ist optimistisch: Am 14. April 2020 soll der Grundstein für das Gebäude gelegt werden. Dann wird das House of One Wirklichkeit. So Gott will.

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