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Scharfe Kritik an Handelskammer

Kommissarischer Präses räumt Fehler ein. 20 Millionen Euro an Beiträgen an kleinere Unternehmen zurückerstattet

Bei der traditionsreichen Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns hat die Führung der Handelskammer erneut scharfe Kritik einstecken müssen. „Die öffentlich ausgetragenen Streitigkeiten im Präsidium lähmen die Kammer und demotivieren die Mitarbeiter“, sagte der Vorsitzende der Versammlung, Gunter Mengers, an Silvester vor rund 1.500 geladenen Gästen, darunter Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und zahlreiche Senatoren. Die einstmals so aktive Handelskammer Hamburg werde „kaputtgespart“ und es gingen schon lange keine Impulse mehr von ihr aus.

Mengers kritisierte besonders den Präses der Handelskammer, Tobias Bergmann, der vor wenigen Wochen seinen Rücktritt erklärt hatte. Einige hätten dem Rücktritt Respekt gezollt. Das könne er nicht nachvollziehen. „Wenn jemand in kurzer Zeit Dinge stark demoliert und dann abtritt, sich also der Verantwortung entzieht, kann ich darin keine zu respektierende Handlung erkennen“, sagte Mengers. Von den Versprechungen vor der Wahl sei kaum etwas übrig geblieben. Die weitgehend durch das Präsidium verursachte Situation mache es der Wirtschaft schwer, die Handelskammer als Partner einzubeziehen.

Als Vertreter der Handelskammer sprach André Mücke, der das Amt des Präses bis zur Neuwahl des Präsidiums Ende Januar von Bergmann übernommen hat. Er gab zu: „Es sind von uns Fehler gemacht worden.“ Man könne die neue Führung aber nicht nur darauf reduzieren, dass es ihr nicht wie versprochen gelungen sei, die Kammerpflichtbeiträge abzuschaffen. Dafür seien mittleren und kleineren Unternehmen rund 20 Millionen Euro an Beiträgen zurückerstattet worden. Bereits 2.700 dieser Firmen hätten sich bereit erklärt, die erstatteten Beiträge in einen von der Kammer aufgelegten Azubi-Fonds einzuzahlen.

„Lassen Sie uns die Scharmützel der Vergangenheit endlich beenden. Es hat in dieser Stadt niemand ein Interesse daran!“, appellierte Mücke. „Wichtig ist, dass wir einander zuhören: aufgeschlossen, reflektierend, respektvoll.“ Er nannte mehrere Themen, die für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts entscheidend seien: die Steigerung der Internationalität, eine bestmögliche Fachkräfteversorgung und größere Fortschritte in der Digitalisierung, mehr Klimaschutz und eine stärkere Förderung der Wissenschaft.

Als erste Frau durfte die Jungunternehmerin Mandy Gollian vor dem Plenum sprechen. Sie erzählte von ihrem Aufstieg bei dem Catering-Dienst „Lokalgold“ und verlangte wieder mehr Respekt für Ausbildungsberufe, die von vielen nicht mehr wertgeschätzt würden. „Jeder Beruf, egal ob durch eine Ausbildung oder ein Studium erworben, trägt seinen Teil zu unserem Alltagsleben bei und verdient Respekt“, sagte Gollian. (dpa)

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