piwik no script img

Leinenpflicht für alle Hunde, wau!Ein Fall für Herrn Mux

Die letzten Rege­lungen des neuen Hundegesetzes sind zum 1. Januar in Kraft getreten. Ein strenges Gesetz. Zumindest theoretisch.

Wo ist die Tüte für den Hundekot? Foto: Marius Schwarz/imago

Es gab da mal diesen herrlichen Film „Muxmäuschenstill“. Und in diesem Film eine Szene, die mancher BerlinerIn aus der Seele sprechen mag: Herr Mux, selbsternannter Retter der Großstadtmoral, lässt eine Nicht-Hundekot-Beseitigerin das Vermächtnis ihres Fiffis mit der Hand von der Straße kratzen. Auch Berlin, hunderttausendfach auf den Hund gekommen, wurde in jüngster Zeit deutlich strenger mit den HundebesitzerInnen. Seit zweieinhalb Jahren bereits gilt eine Kotbeutelmitführungspflicht, zum 1. Januar sind weitere zentrale Regelungen des neuen Hundegesetzes in Kraft getreten. So viel schon mal vorab: Dem ganzen Kon­strukt fehlt ein Herr Mux.

Das neue Hundegesetz stammt noch von der schwarz-roten Vorgängerregierung. Auf den allerletzten Drücker hatte es der damalige CDU-Justizsenator Thomas Heilmann im Juni 2016 durch den Senat gebracht und sich damit nicht unbedingt Freunde in der Welt der Tierfreunde gemacht. Der Gesetzesänderung war nämlich ein gut gemeinter Diskurs mit ExpertInnen, besorgten BürgerInnen und HundefreundInnen vorausgegangen. Der sollte das Aufregerthema Hunde in Regeln gießen, die allen gerecht werden. Der Geist dieses sogenannten Bello-Dialogs schwingt aber nur teilweise mit im neuen Hundegesetz, das nun Rot-Rot-Grün umsetzen musste.

Bereits 2016 hat das Gesetz die Kotbeutelmitführpflicht eingeführt oder, um es mit dem Gesetzestext zu halten: „Hundehalter und Hundeführer haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre Hunde die Straßen nicht verunreinigen. Sie haben beim Führen des Hundes für die vollständige Beseitigung von Hundekot geeignete Hilfsmittel mit sich zu führen. Diese Anforderungen gelten nicht für Menschen, die aufgrund dauerhafter körperlicher oder geistiger Einschränkungen oder Erkrankungen nicht zur Beseitigung von Hundekot in der Lage sind.“

Also entweder gibt es von letzterer Sorte überdurchschnittlich viele unter den HundebesitzerInnen, oder es liegt schlicht an den fehlenden Kontrollmöglichkeiten, dass das Hundekotaufkommen in gewissen Teilen der Stadt nicht spürbar nachgelassen hat. Dafür lungern neben Kot nun auch gefüllte Kotbeutelchen im Straßenbild her­um. „Die Kotbeutel scheinen sich doch weitgehend etabliert zu haben“, sagt Stefan Taschner, tierschutzpolitischer Sprecher der Grünen, zum Umsetzungserfolg des Gesetzes. Das Hundescheißeproblem, meint Taschner, pressiere demnach nicht mehr so dringlich. So kann man das auch sehen und sich der wohl wesentlichsten aktuellen Änderung zuwenden.

Nur noch mit Hundeführerschein

Allgemeine Leinenpflicht seit 1. Januar 2019

Hunde und Halter 2017 waren 104.700 Hunde in Berlin angemeldet. Im gleichen Zeitraum meldet die Hundebiss-Statistik 585 Vorfälle, bei denen Menschen zu Schaden kamen, davon 39 von sogenannten gefährlichen Hunden. Im Vorjahr waren es 614 beziehungsweise 38. Für die Berliner Hunde stehen 35 Auslauf­flächen zur Verfügung, auf denen keine Leinenpflicht gilt. Die Bezirke nehmen jährlich rund 11 Millionen Euro Hundesteuer ein.

Das Neue Gesetz Zum 22. 7. 2016 ist das neue Hundegesetz in Kraft getreten. Unverzüglich galt etwa die Kotbeutelmitführungspflicht, seit September 2016 die aktuelle Rasseliste und seit 1. 1. 2019 die allgemeine Leinenpflicht, die Regelungen zum Sachkundenachweis, Einschränkungen für sogenannte Dogwalker und die Einführung des Hunderegisters.

Info Der Berliner Tierschutzverein bietet am 20. 1. ab 12 Uhr eine Veranstaltung zu den Neuregelungen an (Hausvaterweg 39).

Filmtipp „Muxmäuschenstill“ (2004) ist antiquarisch erhältlich und bei einzelnen Online-Streaming-Portalen. (mah)

Noch bis 31. Dezember durften alle Hunde – außer den „gefährlichen“, dazu kommen wir noch – auf unbelebten Straßen, Plätzen und Brachen von der Leine gelassen werden. Mal abgesehen davon, dass es solche Orte in Berlin kaum mehr gibt, sind diese zügellosen Zeiten nun vorbei. Ohne Leine darf seinen Hund nur noch führen, wer selbigen schon seit Mitte 2016 hält oder einen sogenannten Sachkundenachweis – im Volksmund auch Hundeführerschein – kostenpflichtig erworben hat.

So ähnlich hatten sich das auch die Beteiligten des Bello-Dialogs vorgestellt, nach dem Motto: Der Hund ist immer nur so erzogen wie seinE HalterIn. Zuständig für die Ausstellung des Sachkundenachweises sind die Bezirksämter. Der Geschäftsführer des Verbandes für das Deutsche Hundewesen, Jörg Bartscherer, rechnet mit Kosten zwischen 150 und mehreren hundert Euro für den Erwerb des Sachkundenachweises.

„Eine generelle Leinenpflicht ist aus Tierschutzgründen abzulehnen“, sagt Annette Rost, Sprecherin des Berliner Tierschutzvereins zur Novelle. Da ein Hund auf ausreichenden Auslauf angewiesen sei, komme den Hunde-Auslaufflächen mit Einführung der Leinenpflicht besondere Bedeutung zu. 35 gibt es davon bisher. Ob es mehr werden, obliege dem „Gutdünken der Bezirke“, so Rost, die sich einen gesetzlich festgelegten Schlüssel wünscht: „Je mehr Hunde in einem Gebiet, desto größer die Auslaufflächen.“ In einer Stadt, in der jeder Freiraum auch Begehrlichkeiten für Erholungsraum, Wohnungsbau etc. weckt, kann man aber vermutlich froh sein, wenn die bestehenden Flächen erhalten bleiben.

Aber nun, es ist ja mit dem Leinenzwang wie mit den Kotbeutelchen: Wer will das überwachen? „So viele Leute können sie in den Ordnungsämtern gar nicht einstellen, und ich kann mir da auch wichtigere Dinge vorstellen, die nicht ausreichend kontrolliert werden: Parken auf Radwegen zum Beispiel“, sagt der grüne Politiker Taschner. Wie sein Kollege Michael Efler von der Linken ist er aber gespannt auf eine Evaluierung. Denkbar wäre da etwa eine Auswertung des Bußgeldaufkommens. Aber klar: Wo kein Ordnungsamtmitarbeiter, da kein Bußgeld. Insofern wird das auch mit der Evaluierung nicht einfach.

Liste aller Hunde und Halter

Eine weitere aktuelle Neuerung des Hundegesetzes ist die Einführung eines zentralen Hunderegisters. Bisher werden nur die als gefährlich eingestuften Hunde dezentral erfasst. Wenn es künftig eine Liste über alle Hunde und ihre Halter gibt, dann sollen Steuersäumlinge und abhandengekommene Hunde schneller gefasst und die Statistik über Beißvorfälle aussagekräftiger werden. „Verfügbar werden diese Daten aber wohl erst ab 2021 sein“, sagt Tierschutz-Politiker Efler. „Da könnte man ruhig mal ein bisschen auf die Tube drücken.“

Auf die Tube gedrückt hatte Heilmann bei der Beibehaltung der Rasseliste. Darin werden seit 2016 Pitbull-Terrier, Bullterrier, American-Steffordshire-Terrier und deren Kreuzungen als sogenannte gefährliche Hunde eingestuft – entgegen den Empfehlungen des Bello-Dialogs. Die Haltung dieser Hunde ist nur eingeschränkt erlaubt. Die Folge: Tierheime bleiben auf den genannten Rassen sitzen, bestehende Halter und Hunde umweht das Stigma der Blutrünstigkeit.

Ein undurchdachtes und unausgereiftes Gesetzesmonstrum

Beate Fischer, Erna-Graff-Stiftung

„Dabei sind sich alle Experten einig, dass das Quatsch ist: Es gibt keine gefährlichen Hunde, nur falsche Haltung“, sagt Efler. Auch die Bissstatistik zeige keine Auswirkung der eingeschränkten Haltung von Listenhunden. Efler jedenfalls verspricht, die Rasseliste im gerade begonnenen Jahr noch einmal auf die politische Agenda zu setzen.

Wem das jetzt alles zu komplex war: Damit sind Sie nicht allein! „Ein undurchdachtes und unausgereiftes Gesetzesmonstrum“ nennt Beate Fischer das neue Gesetz. Sie ist Sprecherin der Berliner Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz und seit Jahren in Sachen Großstadthunde engagiert. „Überbürokratisiert und in der Praxis nicht umsetzbar“, lautet auch ihr Urteil über Leinen- und Kotbeutelmitführpflicht.

Sieht ganz so aus, als wird das nix ohne den Herrn Mux. Der lässt übrigens im Verlauf des eingangs erwähnten Films einen Wiederholungstäter mit der Nase in die stinkende Wurst seines Hundes eintauchen. Das geht dann aber wirklich ein bisschen zu weit!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Wuff wau